Ihr Lieben, Elisabeth ist Journalistin mit Leib und Seele. Und sie öffnet mit diesem Text die Augen, appelliert an uns alle, wachsam und achtsam zu sein. In Zeiten wie diesen müssen wir laut sein und unbequem. Aber lest selbst. Alle Texte von Elisabeth findet ihr HIER.
Neuer Beruf: Trump Interpret
Demokratische Werte sind nicht in Stein gemeißelt
Ich bin müde. Am liebsten will ich die Augen zu machen. Weghören. Doch ich kann nicht. Ich darf nicht. Denn ich MUSS zuhören, muss aufpassen. Das gehört nun mal zum Beruf des Journalisten.
Mein Wecker klingelt um 6.45 Uhr. Ich greife zum Handy, Weltlage checken. Natürlich, die Geschichten über „ihn“ sind wieder ganz oben auf allen Nachrichtenseiten. Im Radio das gleiche. Einen Erlass nach dem anderen jagt der neue US-Präsident in die Welt.
Eine 3000 Kilometer lange Mauer an der Grenze zu Mexiko. Streichung von Entwicklungshilfe an ausländische Organisationen, die im Rahmen von Familienberatung auch Abtreibungen anbieten. Bundesbehörden und Ministerien (ausgenommen das Militär) dürfen zunächst niemanden mehr einstellen. Obamacare soll abgeschafft werden – der freie Markt soll wieder walten. Einreiseverbot für die Bürger von sieben mehrheitlich muslimischen Staaten. Und das waren nur die „Top 5“ der Dekrete, die Trump in den vergangenen 12 Tagen erlassen hat.
Er peitscht eine Änderung nach der anderen durch – es passieren so viele Dinge, so viele Knaller – ich habe dauernd Sorge, irgendetwas Wichtiges zu verpassen. Denn wir Journalisten müssen ja darüber berichten, zur Zeit vor allem als Trump-Deuter und kritische Chronisten. Doch unsere Arbeit hat sich erschwert. Anders als bei den vorherigen Regierungen gestaltet sich die Kommunikation sehr schwierig. Trumps Leute kooperieren nicht mit den Medien, betrachten die meisten von uns sogar als Feinde. Der Präsident hat neulich tatsächlich gesagt, er sei im Krieg mit den Medien…
Und so ist jeder Tag ähnlich spannend wie ein Abend im Casino. Bei einem vorher angekündigten nichtöffentlichen Auftritt des Präsidenten sind plötzlich doch die Medien zugelassen. Wird Trump sich äußern? Man weiß es nicht.
Neulich gab es keinerlei Informationen. Der einzige Tipp lautete, man solle den Twitteraccount des Präsidenten im Auge behalten. Ich schüttle den Kopf. Wahnsinn. Die Welt schaut gebannt auf die Twitterseite eines Mannes, bzw. niemandem geringeren als den US-Präsidenten, der versucht mit 140 Zeichen nicht nur den Medien zu entkommen, sondern eben auch heikle diplomatische Themen anzuschneiden. Bääm.
Nur zwei Wochen im Amt, schon hat Trump eine neue Ordnung hergestellt, oder besser: Für Unordnung und Chaos gesorgt.
Nicht nur bei den Medien, sondern auch bei den Behörden selbst. Wer darf denn nun einreisen und wer nicht? Das wusste anfangs nicht einmal das Heimatschutzministerium.
Die amtierende (noch von Obama ernannte) Justizministerin zweifelt an, ob das Dekret des Einreisestopps rechtsmäßig ist. Der US-Präsident entlässt die Ministerin kurzerhand. You are fired! So hatte Trump es schon in seiner Reality TV-Show „The Apprentice“ immer gemacht. Entlässt der Präsident nun alle, die es wagen, seine Politik zu kritisieren? Es ist ein Albtraum. Denn das alles gab es so ähnlich schon mal. Bei uns in Deutschland. Und auch damals waren viele Journalisten, Politiker und Diplomaten anfangs ungläubig. Nach Hitlers Ernennung zum Reichskanzler beschwichtigten viele, es werde schon alles nicht so schlimm werden…. (Siehe Artikel in der Zeit, HIER).
Wenn ich arbeite, bekomme ich das alles ungefiltert mit. Auch viele meiner Kollegen fühlen sich schier überrollt von all den neuen Entwicklungen. Wir kommen kaum hinterher, berichten wie im Hamsterrad. Denn der Hunger nach News aus Washington ist ungebremst groß – kein Wunder! Doch ich spüre, wie ich dies manchmal jetzt schon alles nicht mehr ertragen kann, nicht mehr hören kann. Wo ist die STOP-Taste, möchte ich manchmal rufen.
Immerhin vorübergehend und kurz kann ich mich dieser neuen Realität entziehen, indem ich mir, wie heute, frei nehme und mit meiner Tochter auf den Spielplatz gehe, indem ich koche oder mit meinem Mann (der auch im Newsbusiness arbeitet) Spielfilme oder Serien auf NETFLIX schaue. Doch das sind nur kleine Ausflüchte, kleine Pausen. Denn auf der anderen Seite ist es so wichtig, dass wir gerade hier sind, dass wir berichten und der neuen Macht auf die Nerven gehen. Ob ich mich noch wohl fühle, hier in Amerika, wurde ich neulich auf Instagram gefragt.
Direkt hier zu sein, mitten in Amerikas aufgewühlter Hauptstadt, bereitet mir kein Unwohlsein. Im Gegenteil. Als Journalistin kann ich mir gerade keinen spannenderen Ort vorstellen, an dem ich „lieber“ sein möchte – denn, je größer der Widerstand gegenüber den Medien wird, je drastischer die politischen Entwicklungen, desto mehr fühle ich mich dazu berufen, meinen Beruf auszuüben. Dazu gehört auch, euch hier auf dem Blog und auf Instagram daran teilhaben zulassen und gemeinsam darüber zu reden.
Doch allgemein spüre ich ein großes Unbehagen. Diese unfassbaren Entwicklungen sind kaum in Worte zu fassen. Diese Schnelligkeit mit der Donald Trump versucht, auf Biegen und Brechen dem neuen Amerika seinen „Trump“-Stempel aufzusetzen, macht mir Angst. Denn sie zeigt, dass all diese demokratischen Werte keine in Stein gemeißelten Fundamente sind, sondern dass sie Tag für Tag immer wieder neu verteidigt werden müssen. Meinungsfreiheit. Gewaltenteilung. Demokratie an sich. Worte, die für mich ein Leben lang so selbstverständlich waren, wie sauberes Wasser und ein voller Kühlschrank, bekommen für mich gerade einen neuen, unschätzbaren Wert. Und das beunruhigt und beschäftigt mich sehr.
Und auch deshalb endet mein Arbeitstag lange Zeit nach dem Verlassen meines Büros. Bevor ich das Licht ausmache, checke ich noch einmal die „Evening Briefings“, bereite mich auf das „morgen“ vor. Ein neuer Tag, mit frischen Nachrichten von Trump. Auch wenn wir jetzt schon müde davon sind, wir müssen wach und wachsam bleiben.
Kristina Dinges
Was für ein aufklärender Beitrag. Es ist wirklich erschreckend wie Trump die Dinge ändert, oder ändern wird. Wir müssen auf jeden Fall wachsam bleiben!
Liebe Grüße Kristina von KDsecret
Miri
Die Autorin sollte wissen, dass die USA keine Demokratie ist, sondern eine Republik. Traurig, obwohl sie doch dort wohnt…
Giuliana
Ich finde es erschreckend mit wie viel Unwissenheit hier kommentiert wird. Demokratie ist eine Herrschaftsform – es wird demokratisch geherrscht, zB durch demokratische Wahlen.
Eine Republik ist eine Staatsform mit demokratrischer Herrschaftsform.
Im Übrigen leben wir auch in der BundesREPUBLIK Deutschland.
Wenn man selber die Unterschiede nicht erkennt, sollte man nicht so forsch kommentieren.
Ich will dir nichts unterstellen, jedoch liest sich dieser Kommentar wie der einer Trumsupporterin. Mich magt es traurig und wütend, welche Kritik die Autorin erfährt. Wie kann man so verblendet sein und nicht sehen wie Trump in seinem Land und auch anderen Teilen der Welt wütet?
Ich freue mich jedoch auf weitere Artikel dieser Art und finde es wichtig Farbe zu bekennen.
Liebe Grüße
Vera
Es ist sehr interessiert Elisabeths Artikel zu lesen. Sie hat einen schönen Schreibstil und die Artikel sind sehr interessant! Liebe Grüße
Sophia
Danke für diesen großartigen Text.
Es erschreckt mich, wie Trump mit der Demokratie und diesem/seinem Land umgeht.
Es ist wichtig, dass ihr Journalisten nicht die Augen verschließt und den Menschen jeden Tag aufs neue zeigt, was Trump für ein Mensch ist und was für eine Politik er macht.
Elisabeth
Trump regiert über seinen Twitter Account.
Liebe Elisabeth – ich bin wieder voll bei dir und danke dir für deine Worte.
Was mich neben Trump auch schockiert, sind die Kommentare unter deinem letzten Artikel hier bei Janina.
Liebe Leute wacht auf und reflektiert euch! Dieser Mann versucht nicht das beste für sein volk, er nutzt sein Amt als totales Ego pushing. Er ist hochgradig gefährlich!
Ich hoffe wirklich, dass die Welt nochmal die Kurve kriegt. Ich fühle mich in einem erschreckendem deja vu
Christina
Liebe Elisabeth,
danke für deine Beiträge zu diesem Thema! Ich finde es sehr interessant auf diese Weise von deinen Erfahrungen und Eindrücken aus „nächster Nähe“ lesen zu können. Ich bin erschreckt darüber wie sich die Dinge bereits in der kurzen Zeit seit Trump´s Amtseinführung entwickelt haben und besorgt darüber, was noch alles auf uns zukommen wird.