Regelmäßig schreibt die Journalistin Elisabeth hier über das Leben in dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Wie ist es so, mit Kind und Kegel in den USA zu leben. Was für Unterschiede gibt es? Jede Kolumne absolut lesenswert, ihr findet alle Artikel von Elisabeth HIER. Nun aber zu ihrem heutigen Text.
Kinder, Kinder!
Wie Amerika mit fremden Kindern umgeht,
Kinderfreundlichkeit USA.
„Willst Du einfach schon mal zum Auto gehen? Ich mach das hier“, mein Mann warf mir den Autoschlüssel zu, ich nahm das schreiende Kind vom Boden und wollte nur noch raus aus dem Supermarkt. Dabei hätte ich es besser wissen müssen. Samstag Nachmittag geht man nicht einkaufen. Denn so wie wir wollten auch gefühlt 500 andere Leute „nur kurz“ den Wocheneinkauf erledigen.
Es ging diesmal eigentlich auch alles gut, bis zu dem Moment, als wir an der Kasse waren. Unser Mädchen wollte jetzt sofort noch mehr Rosinen aus meiner Tasche. Dass sie gerade die letzten verdrückt hatte, konnte sie mit ihren zwei Jahren nicht verstehen. Zack. Da lag sie. Auf dem Boden. Und heulte. Und schrie. Laut.
Mhhh. Das ist sie also, die Trotzphase. Da steh ich nun und bin plötzlich die Mutter, die ich bis jetzt immer nur bemitleidend anschaute… und das da auf dem Boden, das war mein Kind.
Ich schnappte meine Tochter, ließ meinen Mann an der Kasse zurück und versuchte möglichst schnell an all den Menschen vorbeizukommen. „Ma’m! Ma’m!“, hörte ich eine Frauenstimme rufen. Die meint ja wohl nicht mich?! Ich reagierte nicht, lief mit Kind auf dem Arm weiter Richtung Ausgang, als der Sicherheitsbeamte mich aufhielt: „Excuse me, Ma’m. That lady over there wants to talk to you!“ Ach herrje. Ich drehte mich um und lief zu der Stimme, die mir scheinbar etwas sagen wollte. Innerlich kochte ich. Jetzt muss ich mir sicherlich noch anhören, was für ein unerzogenes Kind ich habe. „I am sorry, she has a hard day“, sagte ich schon mal prophylaktisch und zeigte auf das auf meinem Arm tobende Wutknäuel. Doch die Dame lächelte nur milde. „Hey, sweetheart“ und meinte damit scheinbar tatsächlich meine heulende Tochter. Sie kramte eine Tüte mit knallbunten Plastikpuppen hervor und zog ein quietschgelbes Lama und einen Marienkäfer heraus. „Which one do you like?“, fragte sie ruhig. Mein weinendes Kind verstummte schlagartig und setzte sein verschmitztes schüchternes Lächeln auf. „You are doing a good job, Mama!“, sagte die nette Dame und schenkte meinem Kind das Lama.
Mittlerweile war mein Mann mit dem Einkauf fertig und sah mich und das nun wieder lachende Kind an: „Wie hast Du das denn geschafft?“
Tja, dachte ich. Das war mal wieder ein Paradebeispiel dafür, wie überwiegend kinderfreundlich dieses Land ist. Amerika liebt Kinder. Und durch kleine Gesten im Alltag spüre ich das besonders. Genervte Blicke habe ich bis heute nicht einen einzigen bekommen, stattdessen wird das Kind im Kinderwagen immer regelrecht angestrahlt. „Look at her“, „Oh, she is so beautiful“. Der größer werdende Bauch wird auch kommentiert: „Oh look at that! Another bundle of joy is on its way!“. Da wird das Kleinkind im Restaurant vom Personal mit Buntstiften oder Knete versorgt. Gäste lächeln ihr zu oder spielen mit ihr „Peekaboo“. Es sind die kleinen Gesten, diese netten Kommentare. Die Tatsache, dass einem nicht das Gefühl gegeben wird, dass das eigene Kind nervt oder fehl am Platz ist. Das ist dann besonders wertvoll und entspannt die Momente, die an sich schon stressig und unangenehm genug sind. Eine kinderfreundliche Grundstimmung, die eigentlich nichts kostet und zugleich unbezahlbar ist.
Aber auf der anderen Seite gibt es die großen Gegensätze. Beim Boarden im Flugzeug dürfen Familien mit kleinen Kindern zuerst einsteigen? Nicht bei amerikanischen Airlines. Auch sind viele Restaurants und Geschäfte nicht mit einem Wickeltisch ausgestattet.
Bezahlten Mutterschutz gibt es hier nicht (Hier mein Artikel dazu: Arbeiten bis die Fruchtblase platzt!). Hebammen, Rückbildungskurse? Kindergeld?? Amerikanern fallen immer fast die Augen aus, wenn sie von solch paradiesischen Dingen hören.
Amerika, das Land der Gegensätze, auch in Sachen Kinderfreundlichkeit. Trotzdem sind die USA ein Exempel dafür, dass Familien trotz mangelhafter staatlicher Familienpolitik Nachwuchs bekommen. So liegt der Schnitt in Amerika bei 1,9 Kindern – während wir Deutsche trotz Anreizen wie geförderte KiTa-Plätze, Mutterschutz oder Kindergeld nur 1,36 Kinder im Durchschnitt bekommen (Zahlen aus dem Jahr 2015, WELT).
Aber keine Angst, genervte Blicke kenne ich auch. Aus dem Flugzeug auf dem Weg nach Deutschland…
Lisa
Ich habe selber noch keine Kinder, war aber als ich zehn war das erste Mal in Amerika mit meiner Familie und meiner kleinen Schwester, die damals sechs war. Wir haben damals auch gemerkt, wir unglaublich kinderfreundlich Amerika ist (zumindest als Gast, den fehlenden Mutterschutz sehe ich definitiv als Problem). Wir wurden überall freudig angesehen, es wurden immer Spielzeuge ausgeteilt, im Restaurant wurde sogar einmal die Klimaanlage wärmer gestellt, weil wir froren. Es wurde immer versucht, für und als Familie die beste Option zu finden. Deutschland kann sich daran eine sehr, sehr große Scheibe abschneiden.
Liebe Grüße und ein großes Kompliment für deine Kolumnen!
Lisa
Lama
Hallo liebe Elisabeth, dein Bericht hat mich eben richtig gefreut, diese Situation im Supermarkt klingt wirklich wunderschön. Auch wenn natürlich Geschenke von Fremden und einfach so eventuell auch kritisch überdacht werden könnten klingt es als ob die Frau in dem Moment einfach ein livesafer gewesen ist. Und ich kann mir wirklich vorstellen wie du in Deutschland noch gestresster geworden wärst, wenn dich die genervten und vorwurfsvollen Blicke der anderen treffen… Hier bricht einem Jahr manchmal doppelt der Schweiß aus, wenn die Kinder in der Öffentlichkeit weinen ?
Rebecca
Mit der Freundlichkeit stimme ich Dir voll zu!
Meine Mutter ist vor ca 15 Jahren mit mir und meinen 3 Geschwistern in die USA geflogen, wir waren alle unter 10 Jahre. Noch heute erzählt sie, wie freundlich die Amerikaner zu ihr und uns Kindern waren. Wir wurden nie schief angeschaut oder mussten uns einen dummen Spruch anhören. Eher wurde gefragt, ob man helfen kann oder ob alles in Ordnung ist.
In Deutschland hat sie leider ganz andere Erfahrungen gemacht. Da wurden fast immer die Augen verdreht, wenn mal einer quengelt oder alleine schon die Anwesenheit von mehreren Kindern :/
Ich hoffe, dass sich auch die politischen/rechtlichen Sachen bei euch noch bessern 🙂
Nina
Sehr schön wie Du die Situation beschreibst. Ich kann das nur bestätigen. Wir leben mit unseren zwei kleinen Kindern momentan an der Ostküste und machen sehr ähnliche Erfahrungen. Alle sind immer mega aus dem Häuschen wenn sie unsere Kinder sehen und überhäufen uns mit Komplimenten. Wirklich toll sowas. Man fühlt sich sehr willkommen mit Kindern. Also auf in die USA