MEIN MANN, DER WASCHLAPPEN!
Über Gleichberechtigung in der Partnerschaft
& die Frage:
Stecken wir noch im letzten Jahrhundert fest?
Darf ich vorstellen: Mein Mann, der Waschlappen!
…und um eines vorweg zu nehmen: Ich wünschte, jeder von uns hätte einen Waschlappen an seiner Seite. Echt, denn mit einem Waschlappen lebt es sich viel schöner, gleichberechtigter und in meinen Augen sollte eine Beziehung so auch immer ausschauen, gleichberechtigt und auf Augenhöhe. Fernab von veralteten Rollen. Ein Du und Ich, das sollte immer ein Miteinander sein, kein A über oder gar gegen B (oder umgekehrt). Sprich, eine Partnerschaft, die ohne Abhängigkeiten oder gar Machtverhältnisse auskommt und in der Respekt und beidseitige Anerkennung gelebt wird.
Aber von vorn…
Vor kurzem schrieb mir jemand im Netz, natürlich anonym, mein Mann (Henry) wäre ein Waschlappen. Ich würde ihm auf der Nase herumtanzen, ihn ausbeuten, in der Welt herumtingeln, während dieser arme Waschlappen, die zu Hause verbliebenen Kinder hüten muss und so ganz grundsätzlich, hätte der Arme so richtig unter mir zu leiden. Ich wäre eine furchtbare Frau, eine ganz schlechte Partnerin, eine schlechte Mutter und der Kerl müsste mal so richtig auf den Tisch kloppen, um mir zu zeigen wo der Hammer hängt.
Ich lese also den Kommentar. Mein erster Impuls: Ich muss lachen und schicke Henry einen Screenshot. Mit den Worten: An den tollsten Waschlappen dieser Welt! Dann denke ich über diese Worte aber nach und ich spüre Traurigkeit und Mitgefühl. Traurigkeit deshalb, weil diese (vermutlich eine) Frau, anscheinend so ein falsches Bild von einer Partnerschaft und dem Zusammenleben hat. Es tut mir leid. Es tut mir sogar ganz wirklich leid. Denn, unsere Mütter und Großmütter haben dafür gekämpft, dass wir heute da sind wo wir sind – angekommen in einem selbstbestimmten Leben. Wir Frauen haben heute alle Möglichkeiten. Wir sind gut ausgebildet, sind in allem frei. Uns steht die Welt offen. Wir können frei entscheiden. Es liegt in unserer Hand, welchen Weg wir gehen. Wir dürfen wählen, ob wir beruflich Karriere machen oder uns voll und ganz unserer Familie widmen möchten – oder ob wir beides gar vereinen. Wir sind frei in der Wahl unseres Partners. Wir können heiraten, müssen es aber nicht. Wir dürfen jeden lieben, dürfen Sex haben wann immer wir wollen und mit wem wir möchten, dürfen wählen gehen, lehren, uns politisch engagieren und haben immer die freie Wahl. Das ist noch nicht lange so. So fern es uns vorkommt, aber all das, was für uns (im besten Fall) selbstverständlich ist, war es vor wenigen Jahrzehnten noch nicht. Dafür, sprich für all diese Rechte (!), haben Frauen (und zum Teil auch Männer) gekämpft. Erst 1958 wurde das Letztentscheidungsrecht durch den Ehemann in allen Eheangelegenheiten gestrichen. Lasst euch das mal auf der Zunge zergehen. 1958. Zwei Jahre später wurde meine Mama geboren. Das ist noch gar nicht so lange her. Vorher durfte eine Frau weder über ihr eigenes Einkommen noch über ihr Vermögen entscheiden. Auch war das Einverständnis des Mannes nötig, wenn eine Frau einen Beruf ausüben wollte. Ich bitte euch – das ist zum Teil gerade einmal knapp 60 Jahre her. In diesen wenigen Jahrzehnten ist so viel Gutes passiert. Und obwohl wir als Frauen in diesem Land in aller Freiheit leben, alle Möglichkeiten haben – scheint es bei vielen zu Hause noch anders auszusehen.
Es scheint, als wäre bei vielen Frauen und auch Männern noch immer nicht angekommen,
was es bedeutet, eine Beziehung gleichberechtigt zu leben.
Das ist schade, denn eine Beziehung auf Augenhöhe ist so bereichernd. Für beide Seiten.
Hier bei uns gibt es nur eine Macht, die Macht der Liebe. Mal rosig, mal weniger blumig – aber doch immer auf einer respektvollen, gleichberechtigten Ebene. Denn wir sind vor allem eines: Gleichwertig. Als Paar und als Eltern.
Das bedeutet, dass wir, Henry und ich, komplett gleichberechtigt zusammenleben. Dass wir alles was wir tun, abstimmen, dass wir im Gespräch sind, dass wir Entscheidungen immer zusammen treffen. Wir teilen alles auf, auch Aufgaben. Es gibt Dinge, die übernehme lieber ich, es gibt aber auch Dinge, die liegen Henry mehr. Dann räumen wir uns jeweils Freiheiten ein. Denn auch das ist wichtig. All das im Ganzen bedeutet, dass keiner von uns hier ein Vorrecht hat. Stattdessen kraulen wir uns hier gern den Bauch. Gekrault? Nimmt sie uns jetzt auf den Arm? Hat sie einen im Tee? Leider nein, aber trotzdem ja, denn, richtig gelesen: gekrault – weil lies mal hier. Vielleicht sollten wir uns alle ein wenig mehr kraulen?
Wie, und was macht das Kind?
Jetzt war ich also mal für ein paar Tage weg, um Qualitätszeit mit Kind Nummer 2 zu haben. Das war wohltunend und hat unsere Beziehung, die meiner kleinen Tochter und mir, weiter gestärkt. Die ungeteilte Aufmerksamkeit für ein Kind, fernab von Alltag und Verpflichtung. Ja, aber was macht denn das andere Kind? Was der Mann? Überraschende Antwort: Das Kind ist (die meiste Zeit) mit seinem Vater. Krass und kaum zu glauben, aber auch das teilen wir uns hier: Die Kinderbetreuung. Und noch krasser, das Kind hat einen Vater und dieser hat sogar die gleichen Rechte und Pflichten wie ich als Mutter. Auch er wechselt Windeln, staubsaugt, kocht, spielt… Er macht als Vater halt auch all das, was ich als Mutter ebenfalls so tue. Weil wir uns die Aufgaben, sowohl die schönen (um die man sich eigentlich reißt) und weniger schönen (die zum Pflichtprogramm gehören) teilen. TEILEN. AUFTEILEN. Im gleichen Maße.
Generell habe ich, lauscht man ein wenig dem Netz, oft das Gefühl, dass der Vater schon fast „unter den Teppich gekehrt wird“. Den gibt es zwar, aber es ist vollkommen selbstverständlich, dass Muttern eben alles macht und der Vater, ja, der Vater, der hat eigentlich keine so große Aufgabe – der ist halt einfach da. Dabei kenne ich es so ganz anders. Schon mein Vater hat so ziemlich alles mitgemacht. Und auch im Freundeskreis ist es Normalität, dass Frau und Mann (als Eltern), alles gleichermaßen wuppen.
Es schaut aber so aus, dass da noch ein Berg Arbeit und viele Diskussionen vor uns liegen, bis das Thema Gleichberechtigung kein Thema mehr ist und stattdessen einfach in Selbstverständlichkeit über geht. Deshalb heute dieser Text von mir. Der aufzeigen soll, dass es schön ist, eine Partnerschaft gleichberechtigt zu leben. Es hat einfach nur Vorteile. Es tut gut. Es verdoppelt das Glück.
Wichtig sind eigentlich nur zwei Dinge, die zählen: Jeder Partner muss mit und für sich glücklich sein, nur dann kann man überhaupt eine gesunde und intakte Partnerschaft leben. Tut man das, dann wird sich das Glück und die Liebe verdoppeln, Wurzeln schlagen und Triebe hervorbringen. Ein weiterer Aspekt für eine gute Beziehung: Im Gespräch bleiben. Sprechen. Immer und immer wieder kommunizieren. Auch wenn man vielleicht manchmal gar keine Lust darauf hat. Sprechen ist der Schlüssel.
In Beziehungssachen ist Sprechen immer Gold!
Wir leben hier bei uns miteinander und nicht gegeneinander – und das funktioniert für uns am Besten. Für uns ist es der richtige Weg. Und natürlich übernimmt hier jeder Hausarbeiten, ist zuständig für „Erziehung“, geht seiner Arbeit nach und hat aber auch Zeit für sich (sofern es der Alltag zulässt).
Wir respektieren uns als Paar und Eltern, und na klar, manchmal gibt es auch Uneinigkeit, das gehört zu einer jeden Beziehung dazu – aber die Kunst ist es, eben auch dann auf Augenhöhe und fair zu bleiben. Deshalb halten wir es beispielsweise so, dass wir uns spätestens zum Zubettgehen wieder „lieb“ und ausgesöhnt haben.. Weil wer mag schon seinen Kummer oder Frust mit ins Bett nehmen?! Eben, niemand. Das tut nicht gut.
Nennt man einen Mann, der sich gleichberechtigt einbringt, einen Waschlappen, dann hat man grundlegend etwas nicht verstanden. Dann ist es allerhöchste Zeit, dass man für sich in einigen ruhigen Stunden einmal überlegt, was vielleicht zu Hause, vor der eigenen Nase, nicht funktioniert und wie es besser ausschauen könnte. Denn wir haben doch nur dieses eine Leben und das ist viel zu kostbar.
Davon abgesehen wollen wir Eltern unseren Kindern doch auch ein gesundes Familienmodell vorleben. Wir sind ihre Vorbilder. Sie werden sich an uns orientieren und ihre Beziehungen später führen wie wir es getan haben. Ich spreche hier nicht davon, dass es wichtig ist Mutter, Vater, Kind zu sein. Familienmodelle können ganz unterschiedlich ausschauen und egal wie eine Familie letztendlich ausschaut und aufgestellt ist, es ist gut so. Wichtig ist nur das Miteinander, der Umgang, wie gleichberechtigt und auf welcher Ebene wir uns als Eltern begegnen. Denn sie werden so sein wie wir. Natürlich haben unsere Kinder die Chance, Dinge zu hinterfragen und anders zu tun – aber sich aus erlernten Mustern zu lösen, ist schwer. Deshalb leben wir unseren Kindern Liebe, Vertrauen und Gleichberechtigung vor. In jeder Phase unseres Lebens.
clara
Oh wie Recht Du hast!
Ich tu mich auch immer wieder scher mit dem althergekommenen Rollenbild. „Oh Du arbeitest – und Dein Mann passt auf die Kinder aus?!“ ääh.. nein! Mein Mann und die Kinder verbringen Zeit und Alltag miteinander auch – wie ich sonst auch, wenn er arbeitet! Verrückt oder?!
Ich schick Dir liebste Grüße und war übrigens sauneidisch auf die Mama-Tochter-Zeit! Ich brauch das auch unbedingt!
Liebste Grüße
Clara
Janina
Liebe Clara,
ich finde es auch verrückt. Zumal ein Mann ja oft so gelobt und gefeiert wird, wenn er sich einbringt.
Dabei ist das eben ganz normal bzw. sollte es im besten Fall so sein. Schade, dass in den Köpfen der Menschen noch immer so tief das Rollenbild verankert ist. Da ist noch viel zu tun!
Ich danke dir so sehr. Es tat uns einfach so gut und hat uns noch mehr zusammengeschweisst.
Es war die beste Entscheidung überhaupt!
Liebe Grüße an Dich
Janina
Julia
Liebe Janina, mein erster Impuls war auch: Lachanfall! Aber es ist natürlich traurig. Ich gehe davon aus, dass eine Frau diesen Kommentar gesendet hat. Männer blasen sich gar nicht so auf. Wenn es eine Frau war, ist es direkt nochmal trauriger.
Aber wie dem auch sei: wir starken Frauen halten zusammen und gehen unseren Weg (im Idealfall mit einem ganz wunderbaren Waschlappen)!!!
Janina
Liebe Julia,
ich vermute das eben auch. Ich hab ja auch nicht wirklich männliche Leser und Frauen sind es so oft, die so urteilend unterwegs sind. Aber, es ist halt nur eine Mutmaßung. Wer weiß…
Es ist einfach so traurig, dass noch so gedacht wird, es ist doch auch so viel schöner und bereichernd, wenn man eine Beziehung auf Augenhöhe und als Team lebt. Ich wünschte wirklich, jeder würde auf diesen Genuss kommen! 🙂
Ganz ganz liebe Grüße an Dich
Janina
Pamela
Ein super schön geschriebener Beitrag. Und einen schönen Gruß an die anonyme Schreiber/in. Die entweder Alt ist oder leider ein veraltetes Bild vorgelebt bekommen hat oder leider den entsprechenden Mann Zuhause hat. Ich muss sagen, dass ich dann auch froh bin ein liebenswerten Waschlappen Zuhause zu haben. Du hast vollkommen Recht, dass Frauen nicht dafür gekämpft haben, dass wir Frauen wieder in alte Rollenbilder verfallen. Natürlich soll jeder so leben wie er möchte und wenn es Frauen gibt, die in dieser alten Verteilung leben möchte, dann ist dass doch für die Familie (wenn sich beide Partner darüber einig sind) auch toll. Und wenn der Mann daheim bleiben möchte, ist er doch genauso wenig ein Waschlappen. Wir leben doch heute in einer freieren und tolaranteren Welt. Hier sollten Familien so leben können wie sie es für richtig halten.
Ich finde es toll, dass Ihr beide auch Zeit für Euch alleine habt. Auch diese Zeit finde ich für jeden wichtig. Des Weiteren finde ich es für Deine Kinder auch toll (und eigentlich für jedes Kind auch wichtig), wenn jedes Kind die Mama bzw. den Papa auch mal nur für sich hat. Mach weiter so. Ich finde Deinen bzw. Eure Familie, aus dem was Du auf Deinem Blog und auf Insta zeigst gut und nachahmenswert. In diesem Sinne mach‘ genauso weiter.
Laila We
Ein richtiger gut geschriebener, wahrer Text!
Janina
Liebe Laila,
ich danke dir so so sehr.
Ganz liebe Grüße an Dich
Janina
Marie
Liebe Janine, schön geschrieben und ich gebe dir absolut recht. Die Formulierung „Waschlappen“ ist echt traurig…
Was ich grundsätzlich auffällig und ebenfalls traurig finde ist, dass Frauen gerne mal sagen: Bei uns ist alles super, mein Mann unterstützt mivh ganz toll“. Das ist ja erstmal schön und gut, aber meines Erachtens sollte nicht unterstützt und „gefeiert“ werden. Es geht even um Gleichberechtigung, bei der beide Teile die selben Rechte und Pflichten haben und nicht um Unterstützung.
So viel zum Grundsätzlichen. Natürlich muss jedes Paar schauen, wie es am besten funktioniert, vor allem dann, wenn ein Teil voll arbeitet und ein Teil zu Hause bleibt, aber auch da kann es andersrum gesehen werden: Der Teil, der zu Hause bleibt unterstützt den Teil, der arbeiten geht dabei, dass dieser Teil ungestört arbeiten gehen kann…
Ich könnte ewig weiter machen und steigert mich häufig auch zu sejr rein. Jeder muss natürlich so agieren, wie es am besten passt, aber ich wünsche mir, dass die Frauen (meistens geht es nun mal um sie), das machen, was sie wirklich wollen…egal , ob arbeiten gehen, home Office oder „nur“ Familie…
Liebe Grüße und einen schönen Abend, Marie
Diotima
Liebe Janina, diesen Kommentar finde ich ebenfalls sehr traurig und aus verschiedenen Perspektiven gesehen, kann einem diese Person tatsächlich leid tun. Vielleicht und das ist nur eine Vermutung steckt hinter diesen Worten Frust, Angst und das Gefühl in seinem Leben gefangen zu sein, nicht hinaus zu können. Ohne das es dieser Person vielleicht bewusst ist. Und dann liest diese Person Deine großartigen Texte, die so voller Wahrheiten stecken, aber diese Wahrheiten haben nichts mit ihrem Leben gemeinsam. Ich habe das Gefühl, dass in den letzten Jahren ein großer Rückschritt gemacht wurde und dass sich unsere Gesellschaft von mühsam erlangten und erarbeiteten Rechte für Frauen wieder zurück bewegt. Ja, man kann als Frau heute alles erreichen, man hat viele Freiheiten, man kann studieren, sich bilden und weiterbilden und man kann eine Beziehung auf Augenhöhe führen. Theoretisch ist das alles möglich. Aber praktisch gehört auch eine Menge Glück dazu, dieses zu können und auszuleben. Glück in eine mehr oder weniger funktionierende Familie geboren zu werden, von Eltern umgeben die sich sorgen und kümmern und ja, auch das Finanzielle spielt eine enorme Rolle. Es gibt Zuschüsse, Stipendien usw., ich weiß, aber viele Frauen, die vielleicht die Voraussetzungen mitbringen, haben ganz einfach nicht die Kraft, ihren Voraussetzungen entsprechend leben zu können, sich ihr Leben aufzubauen. Wie oft lese ich Deine Texte und denke mir, dass es doch mehr Eltern wie Euch geben sollte, mehr Paare die so eine Beziehung leben, die reflektiert denken, überdenken, an sich arbeiten, alleine und miteinander. Miteinander reden, ohne dem geht es nicht. Was aber wenn man dieses einfach nicht kann? Nicht weil man nicht möchte, sondern weil einem das nie vorgelebt wurde, weil es nie Bestandteil des eigenen Lebens war, wie kann man solchen Menschen helfen, aus Außenstehende? Aber ich schweife ab… Ich wünsche Dir und Deine Familie eine schöne Adventszeit und freue mich auf weitere erhellende Texte von Dir.
Marina
Ich finde den Begriff Waschlappen traurig…und wie Gleichberechtigung und gleichberechtigtes Familienleben schlecht geredet wird. Ich bin mit einem „Araber“ verheiratet…das wird ja wohl kein Mensch sein, der gleichberechtigt lebt und Waschlappen noch weniger. Daher bekommt mein Partner in der Zeit in der ich arbeite und er mit Kids ist auch kritisiert: So ein Faulpelz…der ist den ganzen Vormittag zu Hause und lässt seine Frau arbeiten…was für ein Pascha…wie man es macht macht man es falsch!