Thema heute: Die Drogen-Epidemie in den USA. Sie scheint unaufhaltsam. Es ist so schlimm, dass Trump erst vor kurzem den Notstand ausgerufen hat. Aber lest selbst.
Alle Texte von Elisabeth findet ihr HIER.
Ein tödliches Comeback:
Amerikas Tablettensucht
Dass die Amerikaner ein entspanntes Verhältnis zu Medikamenten haben, wurde mir klar, als ich das erste Mal in den USA erkältet war. Die Apotheken dieses Landes sind in die Drogeriemärkte integriert. So kann man neben Taschentüchern und Shampoo eben auch gleich sein Rezept vom Arzt einlösen. Um mir einen Arztbesuch zu sparen, ging ich direkt zur Apothekerin, beschrieb ihr meine Beschwerden und sie sagte mir, dass in Gang 7 und 8 alle möglichen Medikamente zu finden seien. Irritiert lief ich an schier endlosen Regalen entlang und konnte es kaum glauben: Ibuprofen 600mg, stärkste Hustensäfte, Halsschmerztabletten. Ich konnte all das nehmen, von dem ich glaubte, dass es mir helfen wird. „Over the counter medicine“ nennen sich hierzulande Medikamente, die man ohne Rezept oder Rat von Arzt oder Apotheker kaufen kann. Und das sind verdammt viele, in relativ hohen Dosen.
Dass aber auch die Ärzte recht schnell zu starken Medikamenten raten, bekam ich zu spüren als ich schwanger war. Ich fragte, was ich gegen meine extremen Rückenschmerzen tun könne. Mein Arzt empfahl nicht etwa Krankengymnastik, sondern (mit der Schwangerschaft verträgliche) Schmerztabletten.
Der liberale Umgang mit Schmerzmitteln anderer Art stellt Amerika nun vor erschreckende Probleme:
142 Amerikaner sterben an einer Opioidüberdosis. Täglich! Und damit kommen in den USA jeden Tag mehr Menschen durch eine Überdosis ums Leben, als in Verkehrsunfällen.
In den 90er Jahren wagten die Pharmaunternehmen ein gefährliches Spiel: sie verschwiegen die Risiken der sogenannten Opioid-Schmerzmittel und überhöhten ihre Wirkung. Viel zu lax und zu häufig verschrieben Ärzte die gefährlichen Medikamente. Gefährlich deshalb, da Opioide ein hohes Abhängigkeitspotential haben. Nun, gut zwei Jahrzehnte später, leidet Amerika unter einer fatalen Drogenepidemie.
2010 offenbarten Statistiken, dass 80 Prozent der weltweit verkauften Opioid-Schmerzmittel in den USA konsumiert wurden. Daraufhin erschwerten etliche Bundesstaaten den Zugang zu den Medikamenten. Zudem wurden die Preise stark angehoben. Die Süchtigen der Nation suchten verzweifelt nach Alternativen und verfielen dem deutlich günstigeren Heroin. Heroin ist in der Substanz und somit in der Wirkung ähnlich wie die verschreibungspflichtigen Schmerzmittel.
Studien zeigen, dass drei von vier Menschen, die nach 2000 heroinabhängig wurden, mit verschriebenen Opioiden angefangen haben.
Quelle: Zeit.de
Drogen-Epidemie in den USA,
der Schwarzmarkt boomt
Der Schwarzmarkt boomt: Über die Landesgrenzen werden nicht nur Drogen, sondern auch die gefährlichen Pillen geschmuggelt.
Dass diese Krise eine wahre Epidemie ist, zeigen drastische Statistiken: Schätzungsweise 2,6 Millionen US-Amerikaner sind tablettensüchtig. Von den 52.000 Menschen, die 2015 an einer Überdosis starben, kamen mehr als 20.000 allein durch Schmerzmittel ums Leben. Durch Heroin fanden 13.000 Menschen den Tod.
Quelle: American Society of Addiction Medicine
Vor allem viele weiße Amerikaner aus der unteren Mittelschicht sind von der Abhängigkeit betroffen. Im Nordosten der USA, aber auch im sogenannten Rust Belt, sind besonders viele Menschen der Tablettensucht verfallen. Einst waren diese Regionen bekannt für die Stahl- und Kohleindustrie, doch mit Schließung der Werke stieg die Arbeitslosigkeit. Diese Regionen stehen für den Abstieg der Mittelschicht. Dort leben besonders viele Trump-Unterstützer.
Die Opioidepidemie verstärkt die Arbeitslosigkeit. Mittlerweile soll sich der wirtschaftliche Schaden auf 80 Milliarden US-Dollar jährlich belaufen.
Als erster US-Präsident hat Donald Trump das getan, was viele für längst überfällig hielten: Er hat Ende Oktober den nationalen Gesundheitsnotstand ausgerufen. Damit werden allerdings nicht zusätzliche Gelder freigegeben, vielmehr werden aus bestehenden Töpfen Gelder umgeschichtet.
Für viele ist das zu wenig. „Worte ohne Geld“, nannte die Demokratin Nancy Pelosi deshalb Trumps Entscheidung. Viele Demokraten werfen ihm Zynismus vor, denn gleichzeitig versucht er Obamacare und die Krankenversicherung für Arme Medicaid, abzuschaffen. Gerade sie bieten momentan vielen Abhängigen Unterstützung.
Doch Trumps Schritt ist zumindest ein Anfang. Ein Signal, dass endlich 2 bis 3 Millionen Menschen geholfen wird. Denn ohne ernstzunehmende Hilfe wird Amerika die größte Drogenepidemie seiner Geschichte nicht in den Griff bekommen.
Die Autorin:
Elisabeth, Journalistin und Mama von zwei Mädchen, lebt mit ihrem Mann in Washington / USA und berichtet genau darüber. Kolumnen, die sich mit dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten, den USA, beschäftigen.
Jeder ihrer Beiträge ist so lesenswert und interessant. Mal ernst, mal mit einem Augenzwinkern. Ihr solltet besser keinen verpasst haben.
Ihr findet alle Texte von ihr HIER oder unter der Suchfunktion Elisabeth.
Dani
Hallo, man darf aber auch nicht vergessen, dass Opiate, richtig eingesetzt, wesentlich weniger Nebenwirkungen haben und viel besser vertragen werden als Aspirin, Ibuprofen etc. Die Gefahr besteht eben in der Abhängigkeit. Es gibt sehr viele gute Wissenschaftliche Artikel zu diesem Thema. Und Schmerztherapeuten raten von Ibu etc. ab. Also bitte die Opiate nicht verteufeln. Für chronisch Kranke sind sie oft unverzichtbar, da gut verträglich. Wie bei allen Medikamenten zählt ein vernünftiger Umgang.
Viele Grüße Dani