..über die Schwangerschaftsvorsorge und Ärzte!

Da lag ich auf der Liege im leicht abgedunkelten Behandlungsraum. Der erste Termin ohne den Mann. Morgens war mir beim Gedanken, allein zur Vorsorge zu gehen, schon unwohl. Als hätte ich geahnt, welch blöder und vor allem sorgenvoller Tag bevorsteht.

In der Praxis angekommen schallt der Arzt und kontrolliert, ob das Baby sich zeitgemäß entwickelt. Er redet währenddessen mit mir, erzählt und erzählt. Doch plötzlich ist er still.  Ich wusste sofort, diese Stille bedeutet nichts gutes. Mir wird schlecht vor Sorge. Ich traue mich aber auch nicht, den Arzt zu fragen. Der Arzt sagt, es gäbe Auffälligkeiten. Ein fester Schlag in die Magengrube. Der Kopf wäre zu groß, der Rumpf zu klein. Das kleine Mädchen in meinem Bauch wäre generell viel zu zart. Ich bin ehrlich, ich kann meine Gefühle kaum in Worte fassen. Die Sorge schnürt mir in diesem Moment die Kehle zu. Der Kopf meines Babys zu groß, der Rumpf zu klein? Was bedeutet das? Ich bin still. Ich bin starr. Panik. 

Der Arzt misst unser kleines Mädchen noch einmal aus. Ich müsse zum Spezialisten, sagt er. Zeitnah. Sollte sich das asymmetrische Wachstum bestätigen und nicht zeitnah ausgleichen, müsse ich in die Klinik. Ich würde einen Lungenreife-Spritze erhalten und zur Not müsse ein Kaiserschnitt vorgenommen werden. Ich sitze ihm gegenüber und höre all diese Sätze. Ich bin doch erst in der 21 Schwangerschaftswoche, denke ich. Ich kann noch immer nichts sagen. Ich ringe mit mir, um meine Fassung. Ich möchte nicht weinen und stark wirken. Ich frage ihn, was das alles bedeutet. Er erklärt es mir noch einmal. Ich stehe auf und verlasse die Praxis ohne auf Wiedersehen zu sagen. Ich stehe im kalten Treppenhaus und halte mich krampfhaft am Geländer fest. Ich fühle mich, als hätte man mir den Boden unter den Füßen hinweg gezerrt. Meine Beine zittern. Ich möchte wirklich stark sein und versuche, die Worte in meinem Kopf zu ordnen. Sie zu fassen und zu begreifen. Der Kopf zu groß? Was bedeutet das? Geht es meinem Mädchen nicht gut? Ist sie krank? Was hat sie? Der Arzt sagte so viele Dinge, die Hälfte davon habe ich kaum noch mitbekommen. Ich zittere. Ich möchte nicht weinen. Nein, auf gar keinem Fall. Fang ja nicht an zu weinen, hörst du! Ich reiße die Tür auf und stehe auf dem Marktplatz. Ich weiß gar nicht wohin mit mir. Ich versuche den Mann anzurufen. Ich erreiche ihn nicht. Er versuche es noch einmal und noch einmal. Bis er ans Telefon geht. Alle Dämme brechen. Ich weine bitterlich, vor Verzweiflung und aus Angst. Der Herr, der sonst immer die passenden Worte findet, ist still. Das beunruhigt mich noch mehr. Brauche ich doch gerade Halt, Worte die Mut machen. Ich flehe den Herrn an, nach Hause zu kommen. Er ist aber mehrere Stunden weit entfernt. Ich rufe meine Mama an. Meine Mama, die fünf Kinder zur Welt gebracht hat und sicher weiß, was zu tun ist. Meine Mama, die mir durch das Telefonat Trost spendet und mich beruhigt. In dieser Situation mein Fels in der Brandung ist. Die mir innerhalb weniger Minuten und noch am gleichen Tag einen Termin beim Spezialisten besorgt. Einen Termin, auf den Frauen in der Regel 14 Tage warten müssen. Meine Mama, die mir genau sagt, was jetzt zu tun ist – nämlich aufhören zu weinen, sich erst einmal keine Sorgen machen, positiv denken, einen Tee trinken, runterkommen und nachher mit ihr zu dem Termin fahren. Zurück zu Hause räume ich wie wild auf. Ich will mich ablenken, denn ich habe wirklich große Angst vor dem Termin am Abend. Angst vor dem, was mich wohl erwarten wird. Und so putze ich und räume ich auf, bis meine Mama mich einsammelt. Der Spezialist stellt ebenfalls fest, dass unser Mäus‘ etwas zart ist. Und auch, dass ihr Wachstum asymmetrisch ist. Aber er findet Worte, die aufmuntern. Worte, die Mut machen. Er sagt mir, dass die Kinder im Bauch in Schüben wachsen und ich mir erst einmal gar keine großen Sorgen machen muss. Er ist optimistisch und charmant, er findet genau die richtigen Worte. Er ist offen und herzlich, ermutigend und feinfühlig.


Wie ihr seht, ist unser kleines Mimi-Mäuschen gesund. Und ziemlich munter. Nach dem ersten Termin beim Spezialisten ging es mir schon viel besser, dennoch blieb die Sorge bis zum nächsten Termin und wenn ich ganz ehrlich bin, trug ich sie bis zur Geburt in mir. Und als ich unser kleines Mäuschen endlich im Arm hielt, hatte ich sogar noch immer Angst, dass jemand sagen könnte, es wäre etwas nicht in Ordnung. 

Mein Gynäkologe hat in dieser Schwangerschaft auf ganzer Linie versagt. Mehrmals. Er hat unnötig Panik geschürt und uns verunsichert. Und das eben gleich mehrmals. Es ist so wichtig, einen Arzt zu haben, dem man vertraut und bei dem sich Frau gut aufgehoben fühlt. Ein Grund, warum ich vor der Schwangerschaft für jede Vorsorgeuntersuchung extra nach Bremen gefahren bin – hier sitzt mein Arzt des Vertrauens. Für die engmaschige Schwangerschaftsvorsorge wollte ich diesen Weg aber nicht mehr auf mich nehmen und entschied mich, diese durch meinem damaligen Arzt abdecken zu lassen, welcher bereits die Schwangerschaft meiner großen Anni begleitete und ich war (damals) wirklich sehr zufrieden mit ihm. Ich frage mich noch immer, was passiert ist. Wie ein Arzt in seiner Leistung so absacken kann?! Ich erinnere mich, dass ich einmal neun Wochen gar nicht zur Vorsorge kam. Weil er keinen Termin frei hatte. Neun Wochen, als Risikopatientin. Oder dass ich ihn zu den Vorsorgeterminen gar nicht sah, weil sie nur noch aus CTG und wiegen bestanden. Obwohl ich Fragen hatte und darum bat, noch einmal ins Behandlungszimmer zu dürfen. Ja, oder der Moment, als ich darauf bestehen musste, den Arzt noch einmal zu sehen, weil ich Schmerzen hatte und abklären wollte, ob dies normal sei. Nach der Untersuchung ließ man mir nicht einmal die Zeit, mich wieder anzuziehen. So stand ich da, am Empfangsbereich, mit meiner 9monats-Kugel – zupfte mein Kleid zurecht und zog meine Schuhe an. Ich möchte noch immer weinen, wenn ich daran zurückdenke. 

Der Moment, als mich die Schwester anrief und sagte, ich müsse unbedingt zum Diabetologen. Ich hätte Schwangerschaftsdiabetes. Wieder saßen wir da und waren voller Sorge. Was soll ich sagen, anscheinend wurde irgendwas vertauscht (anders konnte sich es mein Arzt nicht erklären). Denn nein, der Diabetologe sagte, ich hätte keine Schwangerschaftsdiabetes. Mein Arzt hingegen behauptete, der Test wäre eindeutig gewesen. So zog sich das wie ein roter Faden durch meine komplette Schwangerschaft. Ich habe oft überlegt, den Arzt noch in der Schwangerschaft zu wechseln und habe es dennoch nicht getan. Weil ich ihn noch so gut in Erinnerung hatte. Weil ich mich emotional in dieser besonderen Zeit nicht auf einen neuen Arzt einlassen konnte. Aus vielen Gründen. Ich habe mich hilflos gefühlt. Verloren. Sollen die Untersuchungen doch Sicherheit geben – so haben sie mich eher verunsichert. Und genau das ist der Punkt. Ich bin jetzt der Meinung, dass Frauen heutzutage verstärkt verunsichert werden. Hier noch eine Untersuchung, da noch ein Test, hier noch ein Vitaminpräparat. Es scheint, als würden viele Ärzte mit den Ängsten der werdenden Eltern spielen, um Zusatzleistungen zu verkaufen. Wir Frauen vertrauen immer weniger auf unseren Körper. Dabei gebären wir seit Jahrtausenden Kinder. Unser Körper ist dafür gemacht. Ich für meinen Teil würde bei einem weiteren Kind einen Großteil meiner Vorsorge von einer Hebamme abdecken lassen und weitestgehend auf die ärztliche Betreuung verzichten.