Empfehlung: Geplanter Kaiserschnitt
AUS DER UNSICHERHEIT IN DIE KRAFT

Empfehlung: Geplanter Kaiserschnitt. Und darüber, wie alles anders kam. Wie ich aus der Unsicherheit in meine Kraft kam.

Mein Kopf, mein Kopf fuhr Achterbahn. Ich wusste nicht mehr, was ich tun sollte. Alles in mir war in Aufruhr. Alles, wirklich alles, was ich monatelang weggeschoben habe, holte mich nun ein. Da saß ich, der Ärztin in der Klinik gegenüber. Schaute sie an, hörte ihr zu, schluckte schwer. Schluckte immer schwerer, in der Hoffnung, den Tränen keine Chance zu geben. Vergeblich. Natürlich. Ich spürte, wie meine Augen brannten. Ich spürte, wie mein Herz raste. Ich spürte meine schwitzigen Hände. Spürte diesen dicken dicken Kloß in meinem Hals. Ich wusste, das hier, das ist eine gute Klinik. Ich wusste, dass ich hier gut aufgehoben bin. Ich wusste es zu schätzen. War dankbar für die Zeit, die sich diese Ärztin für mich nahm. Wie sie so unheimlich menschlich und verständnisvoll war. Und trotzdem war da diese Angst. Ein Kaiserschnitt. JETZT ist es soweit. Ich kann es nicht mehr wegschieben, ich muss mich dem jetzt stellen. Will es auch tun, aber alles in mir rumort, wirkt wenig klar. Es gibt keine andere Möglichkeit, denke ich noch, denn der geplante Termin für den Kaiserschnitt ist nah. Morgen um die gleiche Zeit wird mein Baby in meinen Armen liegen.

Ich wünschte mir eine versöhnliche Geburt. Eine, die vielleicht sogar heilend für mich ist. Eine, die mir all die Ängste nimmt, durch die ich gegangen bin. Es wäre schön, wenn ich noch einmal eine Geburt erleben dürfte, die mir Frieden bringt. Die versöhnlich ist.
Ein Kaiserschnitt war da irgendwie nicht das, was ich mir vorstellte. Und so handelte ich dieses Mal wieder ganz intuitiv und bemühte mich darum, mir verschiedene Wege offen zu halten…

 

Grundsätzlich hatte ich dieses Mal immer wieder große Angst vor der Geburt. Angst, die immer mal wieder hochkam. Ganz anders als bei meinen anderen voran gegangenen Schwangerschaften, wo ich fast immer sehr viel Vertrauen hatte – in mich und meinen Körper. Aber dieses Urvertrauen war dieses Mal gestört. Angeknackst. Und es hat mich die vielen Monate der Schwangerschaft viel Kraft und Mühen gekostet, mich dieser tiefen Angst zu stellen. Ich musste mir erst einmal eingestehen, dass ich da tief in mir etwas weggeschlossen habe. Begraben. Meine Gefühle. Denn ich wollte nichts fühlen. Das hätte nämlich bedeutet, dass ich nicht nur die (Vor-)Freude auf dieses Baby zulasse, nein, das hätte auch bedeutet, dass die Angst zurückkehrt. Dass meine mühsam aufgebaute Schutzmauer bröckelt. Aber von vorn!

 

WEIL AM ENDE MANCHMAL ALLES GUT WIRD!

Irgendwann, kurz bevor ich die 12. Schwangerschaftswoche beendet habe, saß ich dann bei meinem Gynäkologen. Henry neben mir. Der Ultraschall war gut, dem Baby ging es blendend. Es wuchs und war unheimlich aktiv. 1,5 Jahre liegen also zwischen unserem kleinen Sohn und dem Baby in meinem Bauch. Nicht viel Zeit für (m)einen Körper, der nie so richtig genesen ist nach dieser letzten, sehr schweren (aber schönen) Geburt. Mein Baby war sehr schwer gewesen. Groß und sehr schwer. Man ging davon aus, dass sich das wiederholen könnte. Und dann war da noch noch meine Angst. Viele Gründe, die für einen geplanten Kaiserschnitt sprachen. Und genau deshalb fiel auch bereits bei diesem ersten großen Termin beim Gyn die Empfehlung: Geplanter Kaiserschnitt. Boom. Ich saß meinem Gyn gegenüber und wusste erst einmal nicht, was ich fühlte. Ja, klingt logisch – dachte ich. Ist vielleicht auch gut so.
Wenig später im Auto saß ich neben Henry und wir waren still. Keiner sprach. Er startete den Motor, fuhr los. Ich dachte nach. Für Henry war es klar. Wenn ein Kaiserschnitt die Empfehlung ist, dann ist das so. Ja, dachte ich, dann ist das wohl so. Stell dich drauf ein.

 

Ich habe Angst, Angst, die Kontrolle zu verlieren!
Angst davor, all das noch einmal zu erleben.
Aber auch Angst, die Kontrolle abzugeben.

„Wie fühlst du dich, Janina?“, fragte mich meine wundervolle Hebamme bei einem der früheren Vorsorgetermine dieser vierten Schwangerschaft. Ich war vielleicht im vierten oder frühen fünften Monat. Ich lächelte. „Ich fühle mich gar nicht, als wäre ich schwanger. Keine Symptome einer Schwangerschaft, nichts wie sonst. Keine spannenden Brüste, kein Ziehen im Bauch… Gar nichts davon!“.
Dieses Mal war alles anders. Selbst mein Bauch war noch recht klein (für meine Verhältnisse). Ich saß bewusst kerzengerade da. Wollte nichts und niemanden an mich ran lassen. Und tat es dann doch. Glücklicherweise.
Meine Hebamme mit ihren feinen Antennen spürte, dass da was ist. Etwas, das ich aufarbeiten muss. Letztendlich saß ich da und die Tränen kamen, sie kamen nicht nur, sie brachen aus mir heraus. Und es tat so gut. Es brachte mir so viel Erleichterung. Die Mauer war gebrochen. Das war hart, aber es war gut. Denn nun wusste ich, da muss ich ran, da muss ich ansetzen. Und das tat ich in den kommenden Wochen und Monaten ganz intensiv, während diese vierte Schwangerschaft voranschritt…

Ich entschied mich auch dieses Mal wieder für eine Vorsorge bei der Hebamme. Eigentlich eher, wie auch schon beim letzten Mal, für eine Kombination. Gyn und Hebamme Hand in Hand. Das ist für mich besonders schön. So fühle ich mich besonders sicher. Meine Hebamme hat alle Vorsorgetermine mit mir Zuhause absolviert. Mit offenen Ohren, viel Zeit und ihrer beachtlichen Kompetenz. Mein Gyn, übrigens ein toller Arzt, der jeden Weg mit seinen Patientinnen geht, hat mich in Sachen große Vorsorge-Termine (die mit Ultraschall) betreut und sich sehr viel Zeit genommen. Auch für einen Bluttest entschieden wir uns dieses Mal. Dazu aber sicher irgendwann an anderer Stelle mehr.

Mit der Zeit und dem wachsenden Baby in mir wurde mir immer klarer, dass ein geplanter Kaiserschnitt für MICH vielleicht doch nicht die beste Option ist. Nein, eigentlich ist es sogar so, dass ich es die ganze Zeit wusste. Weshalb ich mich auch direkt von Anfang doppelt und dreifach „absicherte“. Ich wollte mir in Absprache mit allen (Hebammen und Ärzten) Optionen schaffen und mir Wege offen halten. Mit dem Gedanken an einen Kaiserschnitt haderte ich immer wieder. Irgendwann saß ich da und weinte, ich war hin- und hergerissen. Verunsichert allem voran. Mein Herz sagte mir, dass ich mein Baby gern auf dem „natürlichen Wege“ begrüßen möchte. Die andere Stimme in mir aber riet mir etwas anderes. Ich hatte irgendwie auch Angst davor. Angst davor, abzugeben. Angst vor dem Kontrollverlust. Vor allem aber Angst davor, mein Baby nicht in aller Ruhe und Geborgenheit begrüßen zu können. Ich hatte noch keinen Kaiserschnitt und deshalb auch keine Vorstellung. Gleichzeitig hatte ich auch Angst davor, eine Entscheidung für mich zu treffen. Eine Entscheidung, die sich am Ende vielleicht als falsch erweisen würde. Ihr kennt das, wenn der Kopf sich dreht und man zu keiner Lösung kommt. Meine Freundin Ivy machte mir Mut und sprach mir gut zu. Sie erzählte mir von ihrem (nicht geplanten) Kaiserschnitt und wie schön er trotzdem war, irgendwie. Weil das Team gute Arbeit leistete, einfühlsam war und herzlich.

Und so beschloss ich, mir den Druck zu nehmen und alle Optionen zuzulassen.
Ich würde jetzt einen Gang zurückschalten.
Würde weiter an meinen Ängsten arbeiten, würde loslassen und mich darauf besinnen, zu genießen.
Das tat ich. Ich versuchte, alles ein wenig mehr auf mich zukommen zu lassen. 

Meine beiden Hebammen fingen mich auf, hörten zu, bestärkten und berieten mich. Mein betreuender Gynäkologe ebenso. Er nahm sich wirklich sehr viel Zeit und hörte zu – das macht ihn für mich an dieser Stelle einmal mehr zu einem sehr guten Arzt. Er ging den Weg mit mir. Er spürte die Angst und fing mich immer wieder auf. Er  beriet mich, aber drängte sich nicht auf.

In den letzten Wochen und Monaten hatte sich viel verändert. Niemand war sich mehr wirklich sicher, was nun das Beste wäre. Ob ein Kaiserschnitt nun wirklich die Beste Wahl war oder nicht. Das Gewicht des Babys wurde regelmäßig überwacht.

Ich glaube, noch nie zuvor war ich mir meiner Sache so wenig sicher.
Ich sehnte mich nach einer natürlichen Geburt auf der einen Seite, dachte aber, dass eine Bauchgeburt vermutlich die vernünftige Entscheidung wäre.

Soll ich es wagen?

Irgendwann, einige Wochen vor dem ET besuchten wir die Infoveranstaltung der Klinik, von der meine Freundin geschwärmt hat. Ein kleines Klinikum. Auch meine Hebamme hat viel Gutes gehört und wir fühlten uns direkt wohl. Der leitende Arzt war sympathisch, alles wirkte sehr transparent und herzlich. Dennoch war dieser Termin für mich total emotional. Mein letztes Baby bekam ich in meinen eigenen vier Wänden, Zuhause. Das war wunderschön. Jetzt die Wöchnerinnen-Station zu sehen, fühlte sich irgendwie seltsam an.
Und trotzdem, die Entscheidung fiel schnell. Wenn eine Klinik, dann diese hier. Da waren wir uns beide einig. Wir beide hatten ein gutes Gefühl.

Bei meinem Vorstellungsgespräch für den geplanten Kaiserschnitt wurde ich untersucht, das Baby vermessen und der grobe Ablauf für den Kaiserschnitt wurde mir erklärt. Und während des Ultraschalls dann die Neuigkeit, unser Baby hat sich gedreht und liegt quer. Wie in einer Hängematte. Der junge Arzt verabschiedet uns am Ende des Termins mit den Worten: „Wenn das Baby so liegen bleibt, gibt es eh keine andere Möglichkeit. Wir sehen uns in wenigen Wochen!“. Der Termin stand. Ich stieg ins Auto und war traurig und niedergeschlagen. Irgendwie hatte ich insgeheim doch die ganze Zeit gehofft, dass es einfach richtig fix losgehen würde und ich den Kaiserschnitt so umgehen könnte. Leider nein. Henry war in all den Monaten sehr sachlich und viel weniger emotional als ich. Natürlich, vollkommen verständlich. Um ganz ehrlich zu sein, ich ging an manchen Tagen auf dem Zahnfleisch. Ich war mürbe gedacht und schwankte immer wieder zwischen „Taschaka, ziehen wir es durch“ und dem tiefen Wunsch, mein Baby eben doch auf dem natürlichem Wege zu gebären. Am allerliebsten sogar ganz geborgen und ungestört bei uns Zuhause. So wie ich es schon einmal erleben durfte.

Zurück Daheim trug ich den Termin in meinen Kalender ein. Da stand er, wie in Stein gemeißelt. Dieser Tag rückte näher und näher. Unaufhaltsam und immer schneller. Wie es eben so oft ist mit der Zeit. Sie fliegt. Am Tag vor dem geplanten Kaiserschnitt  kam ich also wie verabredet in den Kreißsaal. Noch einmal das Baby ausmessen. Noch einmal schauen, ob alles gut ist. Noch einmal alles durchgehen und die offenen Fragen besprechen.
Ich war allein, Henry im Büro. Und plötzlich übermannte es mich wieder. Ich hatte eine Heidenangst vor dem Termin am nächsten Morgen. Die Ärztin erklärte mir alles ganz genau, nahm sich auch alle Zeit der Welt. Ich hatte Glück und der Kreißsaal war recht leer. Während ich dort war, erblickte sogar ein Baby das Licht der Welt. Es war magisch. Dieses Baby plötzlich schreien zu hören. Ein absolutes Wunder!
Am Ende beschlossen wir, dass ich die Informationen erst einmal sacken lasse und Henry in der kommenden Stunde noch einmal dazu stößt. Zu Dritt entschieden wir dann, dass wir den Termin am kommenden Tag verschieben würden, um dem Baby und mir noch die Zeit bis zum errechneten Geburtstermin zu geben. Ich hatte also noch einmal knapp 2,5 Wochen „gewonnen“. Mir fiel ein Stein vom Herzen. Aus verschiedensten Gründen.

Die zwei Wochen vor dem ET taten wir alles, um die Geburt irgendwie so in Gang zu bekommen. Ihr wisst schon, Bewegung, bestimmte Nahrungsmittel, all das. Meine zweite Hebamme massierte mich und gab alles. Auch mein Gyn versuchte sich an einer Eipollösung. Aber der kleine Mensch in meinem Bauch wollte noch nicht. War anscheinend noch nicht bereit.

Einen Tag vor dem ET schlug ich dann wie besprochen wieder im Kreißsaal auf. Die Herztöne checken, noch einmal ein letzter Ultraschall, um das Gewicht zu errechnen, die letzten Fragen zu erörtern.. Ich werd es nie vergessen. Die Sonne schien. Ich trug ganz viel Farbe, ein pinker Rock und ein strahlend blaues Oberteil, und ich war irgendwie ganz schön aufgeregt. Ich war mir plötzlich meiner Sache sicher. Alles wirkte klarer. Für den Moment. Das, was ich eigentlich die ganze Zeit schon wusste, sprach ich nun laut aus.

Nein, ich möchte keinen geplanten Kaiserschnitt.
Ich möchte es spontan versuchen! 

Das Baby liegt richtig, mit dem Kopf nach unten ganz tief im Geburtskanal – und ich fühlte mich stark. Ich kann das. Ganz bestimmt – dachte ich bei mir. Das Baby sollte laut Ultraschall knapp 4 kg wiegen. Das bekomme ich hin, ging es mir durch den Kopf. Das ist jetzt nicht übermäßig schwer. Immerhin hatte der große Bruder fast 5,5 kg. Wir besprachen uns also und entschieden, dass ich es auf dem natürlich Weg versuche. Allerdings würde man aufmerksamer sein. Sollte irgendetwas auffällig sein, dann würde man nicht warten und direkt in den OP umziehen. Ok, das ist ok für mich, sage ich.
Denke das erste Mal so richtig klar, nicht von Angst gesteuert, bin gerade jetzt in dem Moment nicht verunsichert. Ich kann das. Alles wird gut. Als ich mit meinem kugelrunden Bauch zum Auto watschle, nimmt Henry meine Hand. Ich spüre den leichten Windzug auf meiner Haut, ich atme ganz tief ein und bewusst wieder aus. Mir laufen warme Tränen der Erleichterung über die Wangen. Ich bin mir sicher. Ich bin mir plötzlich so unglaublich sicher. Ich sehe es, sehe wie ich mein Baby in meinem Arm halte – und ich bin dabei in keinem OP-Saal. Meine Vorstellung ist so echt und nah, greifbar.

Ich rufe meine Hebammen an, wir besprechen uns noch einmal. Henry streichelt mir über den Handrücken. Es ist ein schöner Moment, ein erlösender Moment. Und nachdem ich mich viele Wochen schwach gefühlt habe, bin ich nun stark. Ich fühle mich stark. Ich sehe klar. Ich komme aus der Unsicherheit in meine Kraft. Natürlich sind da noch immer die vereinzelten Ängste, aber ich sehe klarer. Irgendwie hab ich eine Entscheidung gefällt – für mich, für uns.

Errechneter Geburtstermin plus drei. Ich sitze bei meinem Gynäkologen.Er strahlt mich an. „Frau Westphal, damit hab ich aber nun wirklich nicht gerechnet!“, sagt er. Ja, ich hab damit auch nicht gerechnet. Aber ich versuche jede Minute dieser ganz vermutlich allerletzten Schwangerschaft in meinem Leben aufzusaugen. Ich spreche mit meinem Baby. Streichle meinen Bauch immer wieder. Ruhe viel. Lasse alle Gefühle zu. Alle. Die Guten und die weniger Guten.

Und dann, nur sehr wenige Tage später, in einer Nacht bekomme ich kein Auge zu. Ich liege in unserem großen Familienbett zwischen zwischen zwei Kindern und Henry. Ich hab Schmerzen. Weiß nicht, wie ich mich hinlegen soll. Stehe immer wieder auf, der Schmerz zwingt mich immer wieder in die Hocke. Aber es sind keine Wehen, denke ich. Immer nur alle 30 – 45 Minuten ein kaum auszuhaltender Schmerz, der mir den Atmen raubt. Ich leide also vor mich hin. Als es hell wird, bin ich noch immer wach. Fühle mich gerädert. Fühle mich müde. Alles schmerzt. Ich stehe auf, nehme meinen Laptop und arbeite. Schreibe einen Text für einen Kunden, arbeite ein paar Mails ab, führe ein Telefonat. Dann, dann machen wir die Kinder fertig, Henry fährt sie in die Kita und ich arbeite wie gewohnt den frühen Vormittag weiter…

Und da, da beginnt deine Geschichte, mein kleiner Sohn.

 

 

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