PARTNERSCHAFT UND LIEBE
AUF WELTREISE
Auf Larissa bin ich gestossen, als ich das erste Mal von ihrer Meergeburt in Thailand gelesen habe. Ich war berührt und fasziniert – von dem Vertrauen und natürlich auch dem Wissen, das Larissa als Hebamme hat und in ihren Videos auf YouTube mit Frauen teilt. Zusammen mit ihrer wachsenden Familie, Larissa erwartet momentan ihr viertes Kind, reist sie um die Welt. Sie sind Dauerreisende. Weltreisende. Sie machen das, wovon viele Menschen träumen. Sind ausgebrochen, aus dem Hamsterrad, in dem sie lange Zeit lebten und haben sich dazu entschieden, zu leben. So richtig zu leben.
Mehr über Larissa und ihre Familie lest ihr auf ihrem Blog oder seht ihr bei YouTube.
Mein Mann:
Der Fels und die Brandung
Von Ehe & Beziehung
nach 11 gemeinsamen Jahren und mit bald vier Kindern
Als Oliver mich auf einer Frühlingswiese fand, war ich 20 Jahre alt und er 32. Er kam mit seiner schwarzen Kawasaki Zephyr den Hügel hochgefahren und seine anziehende Aura nahm mich bereits ein, noch bevor er den Helm von seinem Kopf zog.
Seit diesem Tag sind 11 Jahre vergangen. Wir haben in einem regnerischen Winter geheiratet, als ich mit unserem ersten Kind in der 32. Woche schwanger war und seitdem sind zwei weitere dazu gekommen. Das vierte Baby ist auf dem Weg.
Bevor wir Eltern wurden, führten wir drei Jahre eine sehr harmonische Beziehung, die frei war von Konflikten, die an den Grundfesten rütteln. Kleinere Streitereien waren auch eher selten und unsere intensive Partnerschaft war geprägt von starker gegenseitiger Anziehung, der Lust nach Abenteuern, irgendwie auch ein bisschen Verruchtheit und, trotz unserer 100%-Jobs als Techniker und Hebamme, viel Zeit für uns.
Nachdem unser Sohn geboren worden war, änderte sich zunächst nichts, auch wenn es großes Neuland für uns bedeutete, ein kleines Baby rund um die Uhr zu versorgen. Wie alle Eltern durchliefen wir eine Menge psychosozialer Entwicklungsschritte und fanden allmählich funktionierende Strukturen als Familie.
Die Geburt unserer Tochter, zweieinhalb Jahre später, bedeutete schließlich die erste große Herausforderung für unsere Partnerschaft. Während sich für meinen Mann nicht viel veränderte, war ich mit der 24h-Verantwortung für Giulio, der keine Betreuungseinrichtung besuchte, und der kleinen Susanna zunehmend gefordert und auch überfordert.
Der Kauf unseres Hauses und die anstehenden Renovierungsarbeiten nur wenige Wochen nach der Geburt verschärften die Lage dramatisch. Denn Olivers Zeit für uns als Familie verkürzte sich durch die zusätzliche Arbeit auf der Baustelle auf ein unerträgliches Minimum, in dem er mir als Partner und Vater unserer Kinder zur Seite stehen konnte.
Nach langem Ringen mit uns und unseren jahrelang idealisierten Vorstellungen von einem funktionierenden Lebensmodell mit Haus, Hof und Karriere, das sich in der Praxis als unhaltbar für uns als Eltern herausstellte, entschieden wir uns im Sommer 2015, unser Leben von Grund auf neu auszurichten.
Zu dem Zeitpunkt war Susanna zwei und unser Entschluss, nicht die Arbeit, sondern unsere Familie in den Fokus zu stellen, intensivierte unsere Ehe auf eine Weise, die wir nicht erwartet hätten.
Tatsächlich mussten wir auf einer neuen Ebene zueinander finden, denn auch nach fünf gemeinsamen Jahren, hatten wir noch nie mehrere Wochen am Stück zusammen mit unseren Kindern verbracht.
Ich musste lernen, für mich funktionierende Strukturen als größtenteils allein verantwortliche Mutter loszulassen und Oliver, sich im Gegenzug seine eigenen als Papa anzueignen. Auch wenn es sich als schwieriger als gedacht herausstellte, wir schafften es.
Drei Jahre führen wir nun schon ein ortsunabhängiges Leben auf der Reise, bekamen unser drittes Kind unterwegs in Thailand und wechseln je nach Jahreszeit zwischen unseren Lieblingsländern und -orten.
Seit dem Tag, an dem wir Eltern wurden, haben wir als Mann und Frau unzählige Höhen und Tiefen erlebt. Und mit der Verantwortung für drei Kinder und unsere umfassende Online-Selbstständigkeit werden wir nach wie vor täglich mit uns selbst und unserer persönlichen Komfortzone konfrontiert.
Es ist eine immer währende Herausforderung, unabhängig von den individuellen und täglich, wenn nicht gar stündlich wechselnden Befindlichkeiten fünf verschiedener Personen, Rituale und umfassende Organisation zu wahren und gleichzeitig den Alltag sinnvoll zu gestalten.
Als Eltern stoßen wir an Grenzen, die wir als Paar ohne Kinder nie hatten und gehen uns in Stress-Situationen mit ihnen manchmal mehr auf die Nerven, als wir uns je hätten vorstellen können.
———
Letzte Nacht lagen Oliver und ich mit der kleinen Katharina neben uns im Familienbett des Wohnwagens. Die gleichmäßigen Atemgeräusche von Giulio und Susanna im Hintergrund verstärkten mein Gefühl von Ruhe und Geborgenheit und es ergab sich seit längerer Zeit mal wieder eine Gelegenheit, uns intensiv auszutauschen.
Es war ein schönes Gefühl, den Körper meines Mannes so nah bei mir zu spüren, seine physische Präsenz ungefiltert aufzusaugen und diese vertraute Stimme tief in seinem Brustkorb vibrieren zu spüren.
Ich legte ein Bein über seine Hüfte, um mein zunehmend beanspruchtes Kreuzbein zu entlasten und wir unterhielten uns eine Weile über die Kinder, Freunde, Arbeit und unseren IST-Zustand.
Als wir schließlich auf unsere Partnerschaft kamen, war ich hellwach, was sich nach den allabendlichen und unüberwindbaren Müdigkeitsattacken durch meine vierte Schwangerschaft ganz ungewohnt anfühlte.
Da ich kürzlich einen diskutierten Post auf Instagram zum Thema Frust und Konflikte in meiner Ehe gemacht hatte, kamen wir darauf zu sprechen, denn das Wort „Aggression“ erschien vielen Frauen als nicht passend für eine funktionierende Beziehung.
Tatsächlich hat mein Mann die Gabe, mich innerhalb kürzester Zeit in ziemliche Wut zu versetzen. Und zwar genau dann, wenn mehrere ungünstige Faktoren zusammenfallen, was unsere Kinder angeht.
Wenig Schlaf, beruflicher Zeitdruck, nicht erfüllte Aufgaben wie z.B. der Spülberg und eine Menge ungeputzter Kinder-Zähne im gedanklichen Hintergrund, kombiniert mit zunehmender Gereiztheit gegenüber dem zehnten Ausraster einer unserer energetischen Töchter, gehört dabei zu den Klassikern.
Wenn Oliver dann in kurzfristige Hilflosigkeits-Muster verfällt, die nicht unseren Vorstellungen von einem achtsamen Umgang auf Augenhöhe entsprechen, wird es kritisch. Eine Aussage wie z.B. „Ich mache dir nie wieder etwas zu essen!“ oder „Unser wöchentlicher Familienfilm-Abend ist für immer gestrichen!“ bringen mich innerhalb von Sekunden auf die Palme und dann steht mir zusätzlich zur Stress-Situation meine Wut im Weg. Das macht es schwerer, die Lage konstruktiv zu entspannen und erhöht die Spannung zwischen Oliver und mir erheblich.
Interessanterweise triggert unser Sohn meinen Mann mehr als mich, Susanna mich mehr als ihn und unsere kleinste Katharina uns bisweilen beide gleichermaßen.
Wenn es uns aufgrund erschwerter Rahmenbedingungen also nicht gelingt, die persönlichen Toleranzgrenzen aller Familienmitglieder zu wahren und Stressoren bereits im Vorfeld zu minimieren, machen wir uns als Eltern und Paar mit heftigen Gefühlen und Defensivreaktionen selbst das Leben schwer.
Das betrifft meinen Mann genau wie mich und mal fällt es ihm, mal mir leichter, einen kühlen Kopf zu bewahren und die Kinder in diesem Moment zur Entlastung des Anderen zu übernehmen.
Dabei bewundere ich sehr an Oliver, wie schnell er im Anschluss an Unstimmigkeiten in der Lage ist, wieder auf mich zuzugehen, womit ich meist mehr Schwierigkeiten habe.
———
Bei meiner ältesten, ausdrucksstarken Tochter sehe ich es als Privileg, dass sie mir ihre Emotionen ungefiltert zeigt, auch wenn es oft schwer auszuhalten ist. Und vielleicht ist dieser Gedanke auch für die Beziehung tröstlich, denn wo sonst können wir uns schon so pur in unseren Akut-Gefühlen zeigen, wie auf dieser vertrauten, intimen Basis.
Mein Mann kennt mich schon lange, genau wie meine Stärken und Schwächen und ich kenne ihn. Und so sehr, wie wir uns selten aber doch manchmal heftig in die Haare bekommen, können wir uns doch nie lange böse sein.
Wenn Oliver mich nach einem familiären Sturm noch in meiner Abwehrhaltung in die Arme schließt, kann ich, schon bevor mein Kopf seine Schulter berührt, meinen inneren Mauern buchstäblich beim Zerfallen zusehen.
Wir haben schon so vieles gemeinsam erlebt und auch wenn es mal kracht, empfinde ich ihn mehr denn je als Seelenpartner.
Ich weiß, dass ich mich immer auf ihn verlassen kann und dass wir grundsätzlich am gleichen Strang ziehen, wenn es drauf ankommt. Ich spüre täglich, wie wichtig wir uns sind und dass wir aufeinander bauen können.
Und ich weiß auch zu schätzen, dass es Bereiche in unserer Aufgabenteilung gibt, um die ich mich noch nie kümmern musste, weil er sie mit großer Selbstverständlichkeit zuverlässig erledigt.
So habe ich auch nach insgesamt über zwei Jahren Aufenthalt in Wohnmobilen und Wohnwagen kein einziges Mal die Toilette geleert, Wasser aufgefüllt oder bin auch nur einen einzigen Kilometer gefahren. Oliver befördert uns ruhig und sicher an jeden Ort, ist so gut wie immer ein umsichtiger, geduldiger und liebevoller Vater und Lebensgefährte und war nicht zuletzt bei der Meergeburt unserer zweiten Tochter mein buchstäblicher Fels in der Brandung.
Ich glaube daran, dass auch Aggressionen und ambivalente Gefühle in unserer Ehe Platz haben dürfen, wenn sie nicht langfristig destruktiv werden.
Konflikte haben eben einfach auch immer das große Potential, uns auf aktuelle Baustellen innerhalb unserer Familienkonstellation hinzuweisen, um die wir uns konstruktiv kümmern können, sobald sich die Wogen geglättet haben.
Ich weiß und vertraue auch weiterhin darauf, dass Oliver und ich uns trotz aller kleinen und großen Alltags-Turbulenzen immer wieder finden, um weiterhin gemeinsam voranzugehen – als Mann und Frau, als Eltern, als Familie.
————
Und während wir uns gestern ausgiebig über emotionale Berg- und Talfahrten austauschten, zog Oliver mich plötzlich näher zu sich und sagte, mit dem einen Arm um meinen Schultern und dem anderen über dem strampelnden Babybauch: “Ach weißt du Schatz, manchmal bin ich eben nicht nur Fels, sondern auch Brandung aber du kannst dir sicher sein, dass nichts davonschwimmt, solange wir uns an den Händen halten.“
.