Geschwisterrivalität:
Zwischen Geschwisterplüsch
und ziemlich harten Bandagen
– zwischen Liebe und Zank!

Stellt man sich als Mama oder Papa das Leben mit mehr als einem Kind vor, dann kommen da so ganz romantische Gedanken auf – von ganz viel inniger Geschwisterliebe und noch mehr rosarotem Plüsch. Man stellt sich vor, wie schön das alles sein würde und wie sich immer immer immer lieb haben, die Kleinen. Dann sieht man sie vor seinem inneren Auge schon gemeinsam friedlich spielen. Lachend oder kuschelnd. Hach ja, was wird das alles schön.

Und dann kommt sie, BÄÄÄÄÄM, die Realität und zieht dir mir nichts, dir nichts die Schuhe aus. Nichts da Plüsch. Obwohl doch – im Wechsel halt, mal Hü, mal Hott, mal Geschwisterplüsch, mal Zoff. Das aber im so krassen Wechsel, dass selbst das für seine Unbeständigkeit bekannte deutsche Wetter nicht hinterher kommt. Als Eltern von mehreren Kindern befindet man sich also in einem Wechselbad der Gefühle. Von zuckersüßer Geschwisterliebe bis hin zu ganz harten Bandagen – schreibe ich und sehe aus dem Augenwinkel, wie eine Plastik-Schaufel im hohen Bogen weg fliegt. Natürlich untermalt mit lautstarkem Protest. Und für all das braucht es nur einen einzigen Wimpernschlag. Da spielen sie so friedlich zusammen, die große Schwester säuselt ihre liebsten Kosenamen, die sie so für ihren kleinen Bruder auf Lager hat (Ach du mein kleiner Kacka-Po, Mangolini, Süßipups – und mehr), vor sich hin und sie spielen zusammen. Zwischendurch bekommt er noch einen Kuss und einen liebevollen Tätschler. Alles ist so schön. So perfekt. Ich sitze da, schaue zu und mein Herz macht einen Satz: Hach ja, mein Herz schäumt fast über – vor Liebe und Rührseligkeit. Meine zwei Kleinen. Ein Herz und eine Seele. Hach, hach, hach…

Und Zack Booom, plötzlich, wirklich urplötzlich, brät der Eine der Anderen die Schaufel über, diese fängt an zu weinen und lässt das (natürlich nicht!) auf sich sitzen. Da wird plötzlich gerangelt, gezankt, an den Haaren gezogen, geschubst, weggenommen. Drama. Das ganz ganz ganz große Drama. Und ich, ich sitze mittendrin und bin schockiert. Das geht oft so schnell, dass ich gar nicht weiß, wie mir geschieht: Was, wieso, warum, hääääää?! WAS IST DENN HIER LOS?!
Was genau ist jetzt passiert? Und vor allem: Wann? Vor einer Sekunde herrschte doch noch Einigkeit und Frieden. Jetzt aber heißt es: Achtung Ausnahmezustand! Und wiederum weitere fünf Minuten später, das weiß ich jetzt schon, sind wir wieder zurück im Geschwisterplüsch-Modus. Gefolgt von einem weiteren Kampf um das beste Spielzeug, den besten (Sitz-)Platz, den größten Keks oder aber die meiste Aufmerksamkeit. Denn ja, das Buhlen um die elterliche Aufmerksamkeit ist hier schon fast die Königsdisziplin. Hallo Geschwisterrivalität.

Mein persönlicher Höhepunkt ist erreicht, als ich eines Abends, wir befinden uns seit Tagen im Urlaub, das kleine Kind aus dem Auto heben möchte und mit Erschrecken feststelle, dass ihm jemand (vermutlich) eine ganze Packung HubbaBubba ins Haar massiert hat. Da sitzt er, der kleine Junge, seine Haare mit Kaugummi zu einem Einhorn geformt und schaut mich an. Ok, durchatmen. Tür wieder zu und bis zehn, zwanzig, ach Quatsch, bis hundert zählen. Ooooohm.
„Aber Mama, das schaut doch cool aus!“.
Nachdem wir die Haare dann mit viel Zeit, einem langen Bad und noch mehr Bodylotion (Creme) vor dem Kahlschlag retten konnten, die Kids endlich im Bett lagen und wir fix und fertig auf der Terrasse sitzen, platzt es aus mir heraus:

„Wenn ich noch einmal bei Instagram diesen Geschwisterplüsch par excellence sehe, dann fliegt mir der Hut hoch!“,
sage ich zu Henry und der lacht nur trocken.

„Du weißt doch, wie das ist. Alles nur Ausschnitte. Da läuft es in der Regel überall genau so wie hier. Ist halt so. Geschwister eben. Du weißt doch, bei meiner Schwester und mir lief es doch auch nicht anders. Du kennst doch die Stories, dass zum Beispiel auch immer das Eis genau abgewogen werden musste, damit ja keiner zu kurz kommt oder mehr bekommt als der andere …“.
Ja, weiß ich eigentlich auch. Natürlich weiß ich das. Und ich kann mich selbst zu gut an das Leben mit Geschwistern erinnern. Ok, ich war irgendwie immer raus, wenn es grob um Sachen Geschwisterrivalität ging, so wie bei Anni jetzt (die ist auch irgendwie raus bei dem Thema). Aber es gehört halt dazu. Und nun ja,  es ist ja auch ganz klar, dass man die goldenen Momente teilt und nicht die, wo gerade mal wieder Holland in Not ist. Und dennoch, an diesem Tagen ist es vorbei mit meiner Ruhe und Gelassenheit. Nach Tagen, in dem es wirklich besonders extrem war, hab ich gerade ein Tief. Es ist anstrengend. Und ich find es so schade. Denn natürlich würde ich mir auch wünschen, das hier immer Einigkeit herrscht. Das wäre einfach schön. Ist halt aber nicht so. Was eben auch ganz normal ist. Weil es gehört dazu. Grenzen müssen ausgetestet bzw. gesteckt werden,  Und wir kennen es ja auch, einer Meinung ist man auch nicht immer. Kann man gar nicht immer sein.

Geschwisterrivalität
– kannst du halt nichts machen, ist halt so!

Und Geschwisterrivalität ist halt auch einfach ganz normal. Geschwister rivalisieren untereinander. Sie wollen ihren „Platz“ verteidigen. Sie buhlen um die Aufmerksamkeit. Ich habe mal gelesen, dass die Geschwisterrivalität dann besonders ausgeprägt ausfällt, wenn der Altersabstand gering ist. Und der ist hier gering. Außerdem fließen da noch ein paar weitere Faktoren hinein. Wie das Geschlecht, zum Beispiel. Geschwisterkinder mit einem geringen Altersabstand und dem gleichen Geschlecht, leben Geschwisterrivalitäten besonders intensiv aus. Wir als Eltern können nur da sein, können begleiten, können Verständnis zeigen und sprechen. Können auffangen, ganz ganz viel Liebe schenken und damit Sicherheit geben. Und irgendwann dann, ist auch diese Phase zwischen all den Phasen vermutlich vorbei. Denn wie immer: Es ist nur eine Phase!
Und dann hilft das Wissen, trotz all kurzen Kämpfe, lieben sie sich heiß und innig.