DIE ANGST,
DIE MICH UND MEIN LEBEN BESTIMMTE!

Und morgens stehst du auf, und legst deine Maske auf. Deine schützende Fassade. Strahlend. Natürlich strahlend, Lächelnd. Genau so, wie du es von dir erwartest. Weil man es von dir erwartet. Funktionieren. Du musst funktionieren. 

Ich kenne dieses Gefühl. Ich kenne es leider viel zu gut. In meinen dunkelsten Momenten habe ich mein strahlendstes Lächeln aufgesetzt. Bin aufgestanden, stand vor meinen Spiegel, die Angst im Nacken und habe mir mit meinem Make-up, das ich mir für den Tag auflegte, auch mein Lächeln aufgelegt. Keine Schwäche zeigen. Bloß keine Schwäche zeigen. Alles, nur nicht das. 

Damals kam die Angst schleichend. So schleichend, dass ich es viel zu spät bemerkte. Mir viel zu spät eingestand, dass ich beherrscht bin von der Angst. Erst flüsternd und leise, sachte fast, in meinem Ohr, und irgendwann schrie sie mich an, brüllte mich an. Erdrückte mich, ließ mich leiden. War mein Begleiter von morgens früh bis abends spät. 

Ich habe die Signale nicht erkannt. Habe sie dann ignoriert. Weil ich funktionieren wollte. Ich lächelte, während meine Hände schwitzig wurden. Ich lächelte, während erst meine Fingerspitzen zu kribbeln begannen und es mir dann die Luft zuschnürte. Bloß nichts anmerken lassen. Ich strengte mich an. War bemüht um meinen Alltag. 

Eigentlich fing alles mit so einem Gefühl an. Einem, das ich nicht deuten konnte. Herzrasen, feuchte Hände, ein Magen, der sich zusammenzog und ein Kloß in meinem Hals, der anschwoll. Irgendwann waren es die unsichtbaren Hände an meiner Kehle, die sie zuschnürten, bis ich kaum noch Luft bekam. Ich zog mich zurück. Denn Zuhause, in meinen eigenen vier Wänden, konnte ich sein, wie ich war: Verängstigt und vor allem auch traurig. Ich suchte Schutz, Zuhause. Und war dennoch nicht sicher. 

Als es an der Haustüre klingelte, erstarrte ich. Angst. Sie schrie in mir. Ich war wie gelähmt. Es klingelte nochmal. Wie angewurzelt stand ich da, bewegte mich nicht, atmete nicht, stand einfach nur da. Und so stellte ich die Klingel aus. Für immer. Mein Telefon sollte folgen. Ich zog den Stecker, damit das Telefon still blieb. Sie kam zwar schleichend, die Angst, aber sie kam gewaltig. Sie eroberte mich und hatte alle Macht über mich. 

Sie bestimmte mein Leben,
sie bestimmte mich. 

Viele viele Jahre später, sehr viele Jahre später, sitze ich im Auto auf dem Beifahrersitz. Mir geht es gut. Denke ich. Die Sonne scheint. Ich habe gerade sehr gut gegessen. Alles ist gut. Eigentlich. Bis ich die flüsternde Stimme höre, altbekannt, so fern und plötzlich doch wieder da.

Ich bekomme Panik. Meine Hände kribbeln, sie werden ganz schwitzig, ich atme tief ein, versuche Luft zu bekommen und habe Angst vor der Angst. Ich kenne dieses Gefühl. Ich erkenne es sofort. Auch wenn ich es so viele Jahre, weit über ein Jahrzehnt nicht mehr gefühlt habe, so weiß ich doch sofort, wer da anklopft.
Ich mache mich ganz klein in meinem Sitz, versuche mich zu verstecken. Atme schwer, kämpfe gegen diesen Dämonen, will ihm keine Macht mehr geben. Nicht jetzt, nicht morgen, niemals wieder.

„Geht es dir gut, Schatz?“. Ich schüttle den Kopf. Nein, denke ich, innerlich in Schockstarre. Gerade ist nichts gut. Ich werde kreidebleich. Alles dreht sich, immer schneller und schneller und ich quäle mich, die zwei Worte herauszubringen: „HALT AN!“.

So viele Jahre später und ich habe sie sofort erkannt. Sie hat angeklopft, sie hat versucht, sich anzupirschen, wollte die Tür wieder aufstoßen, die ich vor vielen Jahren geschlossen habe. Die Angst. Nur dieses Mal, dieses Mal bin ich vorbereitet. Gut vorbereitet. Dieses Mal kann sie mich nicht überraschen, dafür kennen wir uns zu gut.