ICH WERDE MAMA!

Anni, meine Erstgeborene, sie hat mich zur Mutter gemacht. Ich war jung und ich wollte alles richtig machen. Ich wollte perfekt sein. Und ich hatte schlichtweg keine Ahnung, was mich erwarten würde. Wie auch, beim ersten Kind. Niemals nie werde ich vergessen, wie hilflos ich mich gefühlt habe, als die Geburtswehen einsetzten. Die echten, die das Kind bringenden Wehen. Wie die Angst in mir aufstieg und mich übermannte, und wie ich nicht in die Klinik fahren wollte, in der Hoffnung, dass die Wehen wieder aufhören würden und alles ein falscher Alarm wäre. „Aus der Nummer kommst du nicht mehr raus“, dachte ich bei mir. „Wenn du jetzt in die Klinik fährst, dann verlässt du diese nicht mehr ohne Baby“. Das war in dieser Sekunde eine Erkenntnis, die mich schaffte. Wow. Kann ich das alles? Packe ich das? Bin ich bereit dafür? All das ging mir durch meinen Kopf und letztendlich fand ich mich dann doch im Auto wieder. Mitten in der Nacht, auf dem Weg in die Geburtsklinik.

Die Schmerzen waren krass. So krass, dass ich mich am Griff des alten Hondas festkrallte und ihn fast aus der Tür riss. Obwohl wir den Weg zur Klinik mehrmals geübt haben und abgefahren sind, bogen wir falsch ab. „Das. Ist. Nicht. Der. Richtige. Weg“, hörte ich mich knurren. Man, waren wir nervös. Und als wir ankamen, ging alles irgendwie ganz schön schnell. So für das erste Kind. Als ich aus dem Auto stieg und die Klinik betrat, hämmerte mein Herz vor Aufregung. Ich blieb stehen. stemmte meine durchgestreckten Arme auf die Knie und veratmete. Ich tönte dabei und schnaufte. Im Kreißsaal kommt erst die Hebamme auf mich zu und dann die diensthabende Ärztin. 4 cm bei Ankunft.

Ein Bad in der Geburtswanne, welches mir half und den Schmerz linderte. Ich kniete im Wasser und es war so herrlich warm, es entspannte mich. Ich lehnte mit den Armen am Rand und legte meinen Kopf auf dem Wannenrand ab. Es roch nach Lavendel und die Musik lief leise im Hintergrund. Radio. Ich wippte mein Becken sanft im Wasser. Kreiste. Und verstand, wovon meine Hebamme zuvor im Kurs sprach: Wellen. Der Geburtsvorbereitunskurs, dachte ich plötzlich. Meine Mama sitzt neben mir. Meine Hebamme, ihr Name ist Katharina und sie war eine herzensgute, warmherzige Frau, ließ uns drei allein. „Du machst das toll, da brauchst du mich ja gar nicht. Wenn etwas ist, dann bin ich da, meldet euch einfach!“, sagte sie. Sie hatte Vertrauen. Sie ließ mir Raum. Ganz viel Raum und Freiheit. Bereits in der Schwangerschaft entschied ich mich für eine hebammengeleitete Geburt in der Klinik. Eine Geburt, die ohne Arzt auskommt und bei der nur interveniert wird, wenn es wirklich von Nöten ist. Welch gute Entscheidung. Ich genoss das Wasser. Ich genoss das abgedunkelte, gemütliche Bad und ich ließ locker. Die Angst war plötzlich ganz weit weg und die Anspannung wie weg geblasen. Die Hebamme war gerade im Raum und untersuchte noch einmal, schaute, was sich getan hat. Und plötzlich waren da diese Gelüste in meinem Kopf. Ein grüner Granny Smith. Es versetzt mich noch immer ins schmunzeln, aber von einer auf die andere Sekunde war er da, der Heißhunger auf diese Sorte Apfel. Und ich sprach es aus. „Ich möchte jetzt einen Granny Smith!“. Alle schauten mich verwundert an und fingen an zu lachen. „Ich möchte einen grünen Apfel. Jetzt!“, stöhnte ich etwas angespannt. „Das ist keine gute Idee“, sagte die Hebamme, „es wird dir schlecht werden“, und just in dem Moment wurde mir schlecht. So richtig übel und ich erbrach mich. Der Druck wurde gleichzeitig stärker und plötzlich hielt ich es im Wasser nicht mehr aus. Die Hitze machte mir zu schaffen und alles war mir zuviel. Ich stand auf und tapste im Kreis, hielt während der Wehen inne, kreiste, atmete, tönte laut vor mich und tänzelte weiter.

Plötzlich war da das Verlangen nach Ruhe. Ich wollte mich hinlegen. Einfach nur hinlegen. Und das tat ich. Ich wechselte das Zimmer und krabbelte auf das Bett. Die Hebamme checkte meinen Muttermund und ich war bereit. Offen. Mein kleines Mädchen würde jetzt kommen. Ich presste und ich schrie, ich schrie so laut wie niemals zuvor. Plötzlich war sie doch wieder da, diese Angst. Angst vor dem nächsten Schmerz, Angst vor dem, was kommen würde, Angst zu versagen. Es war überwältigend. Da waren so viele Emotionen in mir. Ich schrie, ich presste und gleichzeitig kniff ich meine Beine zusammen. Nein, stop, das geht doch zu schnell. Halt. „Janina, du musst dich öffnen, hilf deiner kleinen Tochter auf die Welt!“, sagte Katharina und nahm mein Bein, stemmte es sich in die Hüfte und ich, ich konnte Berührungen in diesem Moment nicht haben. Anfassen, das war mir unter diesem Schmerz zuwider und so kam es, dass ich meine Hebamme in diesem Moment des absoluten Schmerzes ziemlich schroff entgegnete, dass ICH. JETZT. NICHT. WILL. VERDAMMT. NOCHMAL. Und dann spürte ich das Köpfchen. Ich spürte den Druck. Ich spürte, dass uns nur noch wenige Zentimeter trennten. Pressen. Pressen. Tönen. Schreien. Das Kinn fest auf die Brust gedrückt. Alles ganz intuitiv, von der Natur vorgegeben. Und da ist es, mein kleines perfektes Mädchen. So Kugelrund und lang. 56 cm Liebe. Da lag sie, auf meinem Bauch und ich war erst einmal ganz unsicher und überwältigt. Mein Kind. Ich bin Mama. Das ging alles ganz schön schnell und mein Geist, der kam gar nicht so schnell mit. Wow. Meine Tochter.

Ich schaute meine Mutter an. Hilflos irgendwie. Fragte sie, ob sie mein Baby nehmen kann. Nein, das wäre meine Aufgabe – sagte sie und währenddessen schob sich dieses kleine Menschenkind hoch und dockte an. Es fand direkt meine Brust. Dieses Gefühl, ein stillendes Kind an der Mutterbrust, ist so einzigartig, so überwältigend. Ich musste an eine Katze denken, die sich putzt. So in etwa fühlte es sich an. Kraftvoll. Ungewohnt. Ja, und so ganz und gar einzigartig. Nun war ich also eine Mutter. Zehn Monate lang hatte ich auf diesen Moment gewartet und nun war er da. Obwohl ich so jung war, vertraute ich auf mich und mein Bauchgefühl. Vertraute auf uns beide. Ich starrte sie an. Glückselig. Fassungslos. Wie sie schlief, wie sie atmete. Kein Auge bekam ich zu, so viele Glückshormone erfüllten mich. Mein Baby. Ich stillte, ich spazierte voller Stolz über den Flur und trug mein Baby auf meinem Arm. Ich wiegte es, küsste es und roch an ihm. Am zweiten Tag kam die Milch und es traf mich unerwartet. Da saß ich plötzlich, mit spannenden Brüsten und zwei großen Flecken auf meinem hellen Pullover. So sehr ich mich auch vorbereitet hatte, niemand hatte mir erzählt, dass die Milch einfach fließt. Niemand hatte mir erzählt, dass der Bauch mit der Geburt nicht direkt wieder weg ist. All das und noch so vieles mehr, überraschte mich. So viel Neues in einer aufregenden Zeit. Der wohl aufregendsten Zeit einer Frau. 21 und der glücklichste Mensch dieser Welt, dachte ich, lächelte dabei und hielt meine kleine Anni im Arm.

Heute, 14,5 Jahre später, ist sie noch immer mein kleines Baby. Und sie wird es immer bleiben. Ich rieche noch immer diese Magie. Diesen ganz besonderen Duft eines Neugeborenen. Ich schaue sie an und mein Herz ist voller Liebe. Vor 14 Jahren hat sie mich zur Mama gemacht und in mir die Löwin geweckt. Vor 14 Jahren hat mein Leben und mein Sein noch einmal eine ganz andere Dimension erhalten. Eine lebenslange Aufgabe, das größte Glück dieser Erde.

 

Ihr lieben Frauen, dies sollte eigentlich ein Text über das Abstillen werden. Da hab ich mich wohl ein wenig verirrt und doch teile ich diesen Text mit euch. Weil er aus dem Herzen kommt und einfach so durch meine Finger geflossen ist.