Liebe dich, achte dich und weiß dich zu schätzen!

Wenn ich an meine Jugend denke, dann sehe ich hauptsächlich Unsicherheit. Und die Unfähigkeit, mich selbst zu mögen. Mich so zu akzeptieren, wie ich bin – das wäre noch vor zehn Jahren undenkbar gewesen. Diese Unsicherheit zog sich wie ein roter Faden durch mein Leben. Ich war irgendwie schon immer ein wenig anders. Niemals war ich eine der Coolen, der anerkannten und bewunderten Mädchen der Schule. Und na klar, auch ich habe sie bewundert, diese Mädchen – mit ihrem selbstbewussten Auftreten, mit ihren eng anliegenden Levi’s Jeans und den langen Haaren. Die Mädchen, die immer mit den coolen Jungs abhingen. Ich war schon immer ein kleiner Paradiesvogel, in meiner eigenen kleinen Welt. Ich hab es geliebt, mich mit Büchern im Zimmer zu verkriechen, Wälzer über Ägyptolgie oder Stephen King zu schmökern. Als die Anderen knallenge Jeans trugen, ließ ich mir von meiner Mama 70er Jahre Hippie Schlaghosen aus Sonnenblumen-Stoff nähen. Ich war ein Träumer. Ich war anders. Ich war verdammt unsicher. Und ziemlich oft, ziemlich unglücklich. Überhaupt nicht in der Lage, mich anzunehmen, mich gern zu haben oder mich toll zu finden. Ich war nie dick, aber eben schon immer weiblich. Ich ging hart mit mir ins Gericht. „Meine Oberschenkel sind viel zu breit, ich bin hässlich, dieses verdammte Muttermal mitten im Gesicht..!“.
Rückblickend tun mir diese Erinnerungen fast weh. Ich war mir selbst nicht genug. Wieso nur konnte ich mich nicht wertschätzen? Wieso war ich nicht in der Lage, mich in meiner Haut wohl zu fühlen? 

Diese Unsicherheit spiegelte sich auch in meiner ersten richtigen Beziehung wider. Es war fürchterlich. Es war erniedrigend. Es tat weh. Kurz und knapp auf den Punkt gebracht, diese Beziehung tat mir ganz und gar nicht gut. Und doch klammerte ich mich an sie, wie an den letzten, rettenden Strohhalm. Heute, heute würde ich diesem Mann direkt den Laufpass geben. Ihn fragen, ob er verdammt nochmal bei Trost ist. Ihn verflucht nochmal zum Mond schießen. Aber nein, dazu war ich nicht in der Lage. Und dann saß ich plötzlich da – allein, ausgetauscht. Und ich begann zu hungern. Weil ich zutiefst unglücklich war, bitterlich traurig und weil ich versuchte, den Fehler bei mir zu sehen. Erst war der Kummer so groß, dass der Appetit ausblieb und irgendwann war nicht einmal mehr das Bedürfnis nach Nahrung da. Kein Hunger mehr. Schlank, noch schlanker, dünn bis klapperdürr. Meine Kurven weggehungert. Anfangs waren da noch die Blicke der Anerkennung. „Janina, wie hast du das gemacht – du schaust fantastisch aus!“. Ich bin ganz ehrlich, das ging damals runter wie Öl. Wow. Ich werde wahrgenommen, ich werde bewundert. Irre. Bis irgendwann die ersten kritischen Fragen kamen, die völlig schockierten Blicke.

Die Zeit verflog. Irgendwann dann kündigte sich Anni an. Ein Geschenk des Himmels. Ich war glücklich, wirklich „rundum“ glücklich. Kugelrund. Mein Gewicht verdoppelte sich fast und doch machte es mir nichts aus. Die Vorfreude auf das, was kommen sollte, war einfach zu groß. Ich freute mich auf diese neue Herausforderung, auf das Leben mit Baby, auf meine Mutterrolle. Pures Glück. Die ersten Wochen mit Anni waren aufregend und wunderschön, das Hochgefühl hielt an. Und doch holte mich alles wieder ein. Boom, da war er wieder – der Zweifel. In nur zwei Monaten reduzierte sich mein Gewicht drastisch. Die körperlichen Spuren der Schwangerschaft konnte ich nur schwer akzeptieren. Ich konnte mein neues Ich generell nur sehr schwer annehmen.

Es war ein schleichender Prozess. Irgendwann fiel es mir schwer, das Haus zu verlassen. Schweißnasse Hände, Atemnot, purer Stress, Angst. Und so verließ ich einfach immer seltener unsere eigenen vier Wände. Später machte es mir sogar Angst, wenn es an der Haustüre klingelte. Oder das Telefon. Und dann war da der Tag, an dem mir jemand sagte, dass es so nicht weiter gehen würde. Ich ging zum Arzt und erlebte dort einen Moment, der alles veränderte. 
Ich sollte aufzählen, was ich an mir schön finde. Diese einfache Frage überforderte mich. Ich saß da und konnte darauf keine Antwort geben. Auf die Frage, was ich an mir nicht schön finden würde, hingegen schon. Ausführlich. Und so begann ich.. bis mir selbst auffiel, ich mag mich als Ganzes nicht. Nichts. Ich brach in Tränen aus. Es war, als würde es mir wie Schuppen von den Augen fallen. Ich kann es nicht erklären, aber das war ein derart wichtiger Moment für mich – als wäre mir ein Licht aufgegangen. Klick. Dieser Moment veränderte so vieles, alles. Schritt für Schritt lernte ich, mich selbst zu lieben. Mich gern zu haben. Das war ein langer Prozess und je älter ich wurde, um so leichter fiel es mir. Heute weiß ich, wer ich bin und was ich kann. Ich finde mich schön und fühle mich wohl in meiner Haut. Ich bin angekommen und glücklich. Ich führe eine Beziehung, die gleichberechtigt ist. Rückblickend würde ich meinem jüngeren Ich gern so vieles sagen. Mir sagen, dass ich toll bin und zwar genau so, wie ich bin. Mir sagen, dass mich dieser Typ gar nicht verdient hat. Mir sagen, dass ich sehr wohl sehr vieles kann und dass es gar nicht schlimm ist, der kleine Nerd zu sein – ganz im Gegenteil. Und ich möchte meinen Kindern, meinen Töchtern genau das mitgeben. Selbstvertrauen und Selbstliebe, ich möchte ihnen den Rücken stärken. Von Anfang an.

Nur warum erzähle ich euch das? Weil wir Frauen viel zu oft viel zu streng mit uns sind. Weil uns oft das Selbstvertrauen fehlt. Legen wir das ab. Wir sind schön, so wie wir sind – egal ob von Natur aus kurvig oder schlank, groß oder klein. Selbstliebe ist wichtig. Nur wenn man mit sich selbst im Reinen ist, kann man ein zufriedenes Leben führen. Es fängt im Kleinen an. 
Manchmal tut es gut, sich daran zu erinnern, dass man ein feiner Mensch ist – rundherum. Oder?