Ein Gastbeitrag von Annika 
(Instagram AnnikaOnInsta)

 

EIN SABBATJAHR ALS FAMILIE
– eine lange Reise als Familienauszeit

Studiert, geheiratet, ein Kind bekommen, ein Haus gekauft und noch zwei weitere Kinder bekommen, beruflich weiter entwickelt… Das hört sich an wie im Bilderbuch, oder? Genau, mein Bilderbuch – aber meine Geschichte endet hier nicht mit „und sie lebten glücklich bis ans Ende ihrer Tage“. So einfach ist das nicht.

Den Alltag als vollzeitberufstätige Mama kann ich oft nur schwer genießen. An manchen Tagen nehme ich mir ganz gezielt vor, auf die positiven Dinge zu achten, weil ich mich sonst schäme, nicht dankbarer auf all das zu schauen, was ich erreicht und bekommen habe. Aber ansonsten hänge ich doch ganz schön im Hamsterrad fest – und das selbst so gewählt. In mir ist dieser stete Wunsch nach Veränderung, obwohl mir „zur Ruhe kommen“ mal ganz gut stehen würde.
Ich bin gerade vierzig geworden und im Freundeskreis haben wir die ersten Trennungen, die ersten wirklich schlimmen Schicksalsschläge hinter uns. Immer öfter steht da die Frage: „UND JETZT?“ im Raum. Wohl auch, weil wir uns so lieb haben, weil wir genug Kinder haben und beruflich eben da sind, wo wir sind. In exakt diesem Tempo die nächsten Jahre so weiter machen und weiter powern? Uns ist klar: Das können und wollen wir nicht! Auch wenn wir beide unsere Jobs wirklich gerne machen. Trotzdem möchte man manchmal alles hinschmeißen, schreiend weglaufen oder sogar auswandern. Aber gibt es all das nicht auch in der „light“ Ausführung?!

Meine Fluchten, da wo es mir eben besonders gut geht, sind unsere Reisen, auch unsere kurzen Auszeiten am Wochenende: Dann, wenn wir unser Haus verlassen und unterwegs sind – zu fünft oder mit Freunden, einen Tag oder auch mehrere. In dieser Zeit rücken wir eng zusammen, sind uns besonders nah und machen diese Erinnerungen gemeinsam. Das ist ein unglaublich tolles Gefühl. Das versuchen wir uns so oft es geht zu ermöglichen. Aber Ferien- und Urlaubstage sind endlich. Und die Wochenenden oft mit unliebsamen Terminen zugeknallt (Sportveranstaltungen, Kindergeburtstage, Lernen für Klassenarbeiten,…).

 

Dem Alltag entfliehen!
Ein Sabbatjahr als Familie mit Kindern
– ein Geschenk an uns selbst

Als Lehrerin wusste ich schon immer um die Möglichkeit eines Sabbatjahres – seit einiger Zeit heißt es nun „Teilzeit im Blockmodell“. Das heißt: Man geht normal weiter arbeiten, der Arbeitgeber hält einen Teil des Gehaltes ein und ein paar Jahre später bekommt man das Ersparte als regelmäßiges Gehalt inklusive aller Sozialleistungen ausgezahlt – muss während dieser Zeit aber nicht arbeiten gehen. Irgendwie war es dann aber doch immer fern, zu viele Bedenken: Zu teuer, was ist mit den Kindern, was passiert in der Zeit mit meiner hart erarbeiteten Position, usw.? Und was soll ich mit einem freien Jahr, wenn mein Mann doch arbeiten muss und die Kinder schulpflichtig sind? Aber dann kam auf einmal, so schleichend von der Seite und ganz leise, die Möglichkeit in der Firma meines Mannes, ebenso eine „Auszeit“ zu beantragen. Und trotzdem: Das Haus muss weiter abbezahlt werden, die Kinder zur Schule, unser beruflicher Status aufrecht erhalten werden. Aber…Wenn…und davon gab es viele!

Also haben wir uns im letztes Jahr zu Pfingsten einmal in Ruhe zusammengesetzt: Wäre es bei dieser großartigen Chance nicht grob fahrlässig, diese nicht zu nutzen? Wäre es nicht vielleicht eine wunderbar ausgelebte midlife crisis? Der Ersatz für einen Ehetherapeuten, den man sonst vielleicht irgendwann braucht? Eine burn-out-Prävention? Ich beschloss, direkt am nächsten Werktag meinen Personladezernenten anzurufen und mich erstmal zu erkundigen. Dann ging auf einmal alles ganz schnell: Eine Woche später hatte ich die Bewilligung für mein Sabbathalbjahr auf dem Schreibtisch, mein Mann ebenso das mündliche OK, kurz später ebenso schriftlich.  Keine Zeit mehr länger über die Wenns und Abers nachzudenken. Wir haben es getan! 

Konkret heißt das: Ab August 2021 haben wir ein halbes Jahr frei! Ein ganzes Schulhalbjahr. Es hätte noch diverse andere Möglichkeiten gegeben, aber diese konnten wir uns sowohl finanziell als auch von dem, was wir uns, den Kindern, der Familie und unserer „Karriere“ zumuten, gut vorstellen. Jetzt sparen wir schon über ein Jahr an und das Sabbathalbjahr rückt immer näher. Es gibt keinen Tag, an dem ich nicht voller Vorfreude daran denke und mich wie ein Schnitzel freue. 

Was wir vorhaben? Reisen! Wohin genau, das wissen wir noch nicht, aber es formt sich eine erste Route im Kopf: Sri Lanka, Kambodscha, Bali, Fidji, Australien, Neuseeland, Cook Islands und irgendwo über Mittelamerika zurück. Es werden wahrscheinlich nicht alle Ziele davon realisiert, wir müssen einfach sehen, was wir uns leisten können, wie viel wir bis zum Start unseres Sabbathalbjahres gespart haben, ob wir vielleicht unser Haus vermieten können (wir wohnen praktischerweise direkt neben der Uni) und wie die Schulen der Jungs mitmachen. Der tiefe Wunsch ist, dass sie für diese Zeit gänzlich beurlaubt werden und wir mit den einzelnen Fachlehrern besprechen, was von unterwegs zu leisten ist. Statt des Herbariums vielleicht eine Fotodokumentation der Fauna in Neuseeland? Schildkröten aussetzen in Costa Rica? Ein You-Tube Video über die Teeplantagen in Sri Lanka? Statt Sportunterricht kicken im Kinderheim in Kambodscha? Denn klar ist, dass wir zwar auch egoistisch diese Zeit für uns als Familie nutzen möchten, aber auch immer wieder ehrenamtlich tätig sein wollen.

Drückt uns die Daumen, dass die Schulen mitziehen. Ich bin der Meinung, dass die Jungs da so so viel lernen können. Wenn es „schlecht“ läuft, müssen wir uns in einem Land für längere Zeit aufhalten und dort eine Schule für die Jungs finden. Aber auch da finde ich den Gedanken, dass mein Mann und ich dann in der Schule Waffeln backen, Laternen basteln, eine AG leiten und surfen lernen können ganz entschleunigend – das geht mit unserem hier grad gewählten Lebensmodell nämlich alles nicht oder nur selten oder mit ganz viel Krafteinsatz. Ringsherum würden durch Sommerferien in Deutschland und im Ausland dennoch genug Wochen zum Reisen zusammen kommen.

Für manch einen mag das ganz easy klingen, aber es wird verdammt viel Arbeit sein – alleine die ganzen Buchungen, Unterkunftssuchen, Visa, Zuhause Dinge auf Eis legen (Vereine, Autos abmelden, Betreuung,…), unser Haus vermieten (und vorher aufräumen, haha), Impfungen auffrischen, ggf. zusätzliche Versicherungen abschließen, Kosten kalkulieren, die Schule für die Jungs organisieren… Die Liste wird sicher noch wachsen.  Es gibt also auch einiges zu tun für dieses „Geschenk“ an uns selbst.

Und was ist, wenn beruflich was dazwischen kommt? Wenn einer von uns krank wird? Wenn einer von unseren Eltern krank wird? Ja, auch nachdem wir Fakten geschaffen haben, gibt es noch ganz viele Wenns und Abers – wie im echten Leben halt. Es kann also noch einiges passieren, was uns einen Strich durch die Rechnung macht. Letztendlich gibt es immer noch die Möglichkeit, dass wir uns das Angesparte mit steuerlichem Verlust auszahlen lassen können oder hier zuhause ein freies halbes Jahr haben. Dennoch hat es sich jetzt schon so sehr gelohnt, nicht mehr zu jallern oder gar zu träumen, sondern es tatsächlich in Angriff zu nehmen. Auch wenn das Sabbathalbjahr so nicht zustande kommen sollte – alleine die Vorfreude war es wert! Für uns alle fünf!

Übrigens – unser Ältester wird dann 15 sein. Viele Menschen in unserem Umkreis prophezeien uns, dass wir dann ganz doof für ihn sind und er seine erste große Liebe und seine Clique niemals nicht ein halbes Jahr zurücklassen wird. Damit haben wir ihn konfrontiert: Er hat laut gelacht und gesagt, er sei doch nicht doof, sich diese Chance entgehen zu lassen. Nicht nur, dass er das Reisen mit uns bislang auch sehr genossen hat – hallöchen, ein halbes Jahr Schule und lernen mal ganz anders!

 

Ein Sabbathalbjahr
– für uns als Familie eine große Chance

Was will ich euch eigentlich damit sagen?

Ich habe den Eindruck, viele Mütter, viele Familien stecken in ihren Aufgaben fest, verlieren den Spaß am Alltag, können sich selbst nicht mehr richtig fühlen, haben sich „das Alles“ irgendwie anders vorgestellt. Aber darf man ja nicht sagen, hat man ja so gewollt und ist doch das größte Geschenk. Ja, aber…

Unser Schritt mag für einige eine Nummer zu groß seine – für andere hingegen mögen wir spießig und feige sein. Ganz egal: DU musst für dich entscheiden, was nötig und möglich ist. Vielleicht ist es ja „nur“ der dringend benötigte Abend mit der Freundin, den man viel zu selten erkämpft. Vielleicht ein Wellnesstag. Ein regelmäßiger Yogakurs, für den man sich eine Lücke erarbeiten muss. Vielleicht am Freitag zu sagen: „Kinder, morgen früh geht’s übers Wochenende ans Meer.“ Vielleicht mal eine Kur beantragen. Für sich. Mit Kindern. Ohne Kinder. Doch endlich die Kinder einem Babysitter anvertrauen, um mal wieder Zeit mit dem Partner zu haben. Für einen Spaziergang. Für ein Abendessen. Für ein Wochenende. Mit dem Arbeitgeber über so ein, von mir beschriebenes, Auszeitmodell sprechen. Es gibt viele größere Arbeitgeber, die das anbieten, aber natürlich nicht an die große Glocke hängen. Hinterher sind alle Mitarbeiter auf Weltreise…

Ich habe letztens einer Kollegin davon erzählt, die beruflich und familiär in einer ähnlichen Situation ist. Die wurde gleich ganz nervös: Sie wäre ja nicht so die Reisefreudigste, aber sie wollte schon immer mal einen Malkurs machen. Dafür wären schon drei Monate ausreichend – und das ist bei Beamten erst seit einiger Zeit möglich. Vorher war es immer nur das ganze Jahr und das ist nun mal in jeder Hinsicht eine ganz andere Nummer. Sie wollte sich umgehend erkundigen. Wir wurden beide ganz aufgeregt und hatten hinterher beide Tränen in den Augen.

Oder tatsächlich ganz rigide: Alles verkaufen, verschenken, aus Deutschland abmelden und für immer auf Tour gehen. Gibt’s gar nicht so wenige Familien, die das tun.

Entscheidend ist, dass du dir Inseln schaffst, auf denen es dir gut geht, wo du Glück fühlst. Und dafür muss man aus seinem Trott heraus kommen. Es ist ja nun doch fast immer so, dass einem das keiner abnimmt. Man muss sich manchmal auch für sein Glück anstrengen! Denn es gibt immer Wenns und Abers, die wir dafür beiseite räumen müssen, wenn wir es denn wirklich wollen! 

Damit möchte ich nicht suggerieren, dass unsere Auszeit DAS Therapeutikum für all unsere Alltagsprobleme ist. Das wäre naiv. Ich muss auch weiter aktiv daran arbeiten, mich hier zuhause gut zu fühlen. Aber im Moment merke ich, wie gut es mir mit dieser Entscheidung geht, wie sie mich täglich aufrecht hält und wie verdammt gut es sich anfühlt, mal nicht vernünftig gehandelt zu haben. Wenn die Bilanz positiv ausfällt, beantragen wir gleich im Anschluss die nächste Auszeit. 

 

Schreibt mir doch mal, was ihr Unvernünftiges tut,
wie ihr euch aus eurer Komfortzone bewegt, um euch gut zu fühlen
– oder was ihr euch jetzt vielleicht vornehmt.
Ich würd mich freuen!

Eure Annika

 

DIE GASTAUTORIN

Annika ist Mama von drei Jungs und verheiratet. Sie lebt gern und das sieht man ihren Bildern auf Instagram auch an.
Sie sind fröhlich, sie sind als Familie reisefreudig und das steckt an. Ich folge ihr unheimlich gern!

Ende letzten Jahres erzählte mir Annika (ihr findet sie HIER auf Instagram) von ihren Reiseplänen als Familie – von ihrem Sabbathalbjahr – und ich war total gespannt und direkt Feuer und Flamme.
Um ehrlich zu sein, wusste ich bis dahin nicht einmal um diese tolle Möglichkeit. Und vielleicht geht es euch ja wie mir, nachdem ihr diesen Text gelesen habt – da kitzelt es in den Fingern und man möchte sich direkt auch in ein solches Abenteuer stürzen.

 

sabbatjahr Familie

 

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