Ein Gastbeitrag:
Selbstbestimmte Geburt in der Klinik

Julia, Mama von zwei Kindern, hat sie erlebt:
Eine selbstbestimmte und wunderschöne Geburt in einer Klinik. Allerdings erst bei ihrem zweiten Kind. Die erste Geburt, ebenfalls in einer Klinik, war traumatisierend. In diesem Beitrag erzählt sie uns, wie sie es geschafft hat, sich die selbstbestimmte Geburt in der Klinik zu ermöglichen. Sie erzählt von ihren Erfahrungen und gibt Tipps, wie man sich am besten vorbereitet.

Generell ist Julia eine inspirierende und kreative Frau. Schon recht lange folge ich ihr und das unheimlich gern. Schaut unbedingt mal bei ihr auf dem Blog oder bei YouTube vorbei.

Geburt Klinik

SELBSTBESTIMMTE GEBURT
IN DER KLINIK

Muss eine Klinikgeburt
immer schlecht sein?

Die liebe Janina  hat mich schon vor ein paar Wochen gefragt ob ich diesen Gastbeitrag für euch schreiben kann. Danke erstmal dafür. Ich freue mich sehr darüber. Schande über mein  Haupt, aber ich bin erst jetzt dazu gekommen. Da dieses Thema eine absolute Herzensangelegenheit ist, wollte ich mir für diesen Text auch eine angemessene Zeit nehmen.

Dann mal los….
(Vorsicht Triggerwarnung: Traumatische Geburt)

Heute möchte ich euch von meinen Klinikgeburten erzählen, die eine schön, die andere weniger.

Aber wie, weshalb, warum dazu jetzt mehr.

Ein Geburtsbericht:
2015.

Das erste Mal schwanger, das erste Mal Tritte spüren, das erste Mal diese magische Zeit erleben. Der errechnete Geburtstermin meiner Tochter war der 15. Dezember, kurz vor Weihnachten. Wir erwarteten also das schönste Weihnachtsgeschenk, das man sich nur wünschen kann. Im Laufe der Schwangerschaft besuchte ich einen Geburtsvorbereitungskurs, las diverse Bücher und durchforstete YouTube nach Geburtsberichten. Ich fühlte mich super wohl und vor allem gut vorbereitet. Fest entschlossen, so natürlich wie möglich zu entbinden, also ohne PDA oder Schmerzmittel, um meiner Tochter den besten Start ins Leben zu ermöglichen. Angemeldet in meiner Wunschklinik, konnte nun also die Geburt jederzeit beginnen.

Drei Tage über dem Termin sollte es dann tatsächlich nachts um 2 Uhr losgehen. Ich wusste direkt, dass diese Wehen anders waren als die, die ich die letzten Tage verspürte. Diese waren stark, schmerzhaft und intensiv. An schlafen war nicht mehr zu denken, die Aufregung stieg. So machten wir uns um 5 Uhr nachts auf den Weg ins Krankenhaus. Ich war mir sicher, bei den Schmerzen müsste ich bei mindestens bei 6 – 7cm sein und die Geburt wäre fast geschafft. Irgendwie hatte ich auch immer im Kopf, dass ich eine Frau bin, die ihre Kinder schnell bekommt. Man las ja so viel von schnellen Geburten, schmerzvoll aber immerhin kurz. Ich war fest überzeugt, so eine habe ich auch. In der Klinik angekommen, die schnelle Ernüchterung. Gebärmutterhals verstrichen, gerade mal 1 cm Muttermund Öffnung. Mit gutem Willen. Ich war fassungslos. Und von diesem Moment an merkte ich, wie ich verkrampfte und jede Wehe als Schlag ins Gesicht wahrgenommen habe, mein Feind.

Bei der nachfolgenden CTG Untersuchung, die im Stehen nicht gemacht werden wollte, kam heraus, dass die Herztöne meiner Tochter schlecht waren. So schlecht, dass ein durchgehendes CTG geschrieben werden musste. Im Liegen natürlich.

Damals hatte ich keine Ahnung was das bedeutete, dass der Geburtsverlauf dadurch so gestört werden würde, dass das Ganze in einer Tortur endete. PDA, Wehentropf, Dammschnitt, Kristaller Handgriff. 19:33 Uhr. Elsa war da. Ich am Ende meiner Kräfte, nicht nur körperlich, sondern vor allem auch seelisch.

Eine normale Klinikgeburt, sollte man meinen. Zu oft höre ich von Frauen mit genau dieser Geschichte. Ungewollte Intervention. Gefühle von physischer und psychischer Vergewaltigung bis hin zur Wochenbettdepression. Möchte man mit einer Klinikgeburt doch nur sein Kind schützen, nur das Beste für den Fall der Fälle.

Aber stimmt das? Die Zahlen sprechen leider eine andere Sprache. Jede Intervention in einen Geburtsverlauf und sei es nur eine Muttermundkontrolle, können im schlimmsten Fall den sensiblen Verlauf stören und zum Geburtsstillstand aka ungewollten Kaiserschnitt führen.

Und warum ich sage,
dass eine Klinikgeburt trotzdem schön sein kann – fragst du dich?

Ich glaube daran, denn ich habe es selbst erlebt. Eine Klinikgeburt kann ein wunderbares selbstbestimmtes Erlebnis sein. Ich erzähle dir gerne warum:

Nach dieser traumatischen Geburt war ich mir sicher, nie wieder ein Kind bekommen zu wollen, obwohl unser Traum doch immer zwei waren und auf einmal verstand ich sogar warum sich viele Frauen einen Wunschkaiserschnitt wünschten.

Der weibliche Körper ist allerdings schlauer als gewollt, denn er verdrängte und vergaß irgendwann die Geburt, die Schmerzen und all das, was passiert ist. Ich wurde wieder schwanger. Im Mai 2017 sollte der kleine Babybruder auf die Welt kommen.

Meine schöne Klinikgeburt
– mehr Vertrauen in den
eigenen, weiblichen Körper

Ich begann mich intensiv mit dem Thema natürliche Geburt auseinander zu setzen, wollte mich unter gar keinen Umständen jemals wieder so hilflos und ausgeliefert fühlen. Ein Geburtshaus kam für mich (leider) nicht in Frage, da die Plätze schon belegt waren. Also doch wieder eine Klinikgeburt. Nur eben anders. Mit meiner Hebamme, die auch in der Klinik arbeitete, arbeitete ich die vergangene Geburt wieder auf, machte mir einen Plan was ich wollte und was ich unter keinen Umständen mehr mit mir machen lassen will. 

Wusstet du, dass das auf dem Rücken liegen während der Geburt ungefähr das ungünstigste ist direkt nach dem Kopfstand?

Das Becken kann sich nicht im vollen Ausmaß weiten, der Kopf nicht tiefer eindringen, folglich werden die Herztöne schlechter, bedingt durch den Druck auf die Hauptschlagader, das Drücken des Köpfchens auf das Becken und das Gewicht von Plazenta und Fruchtwasser, das von oben auf dem Baby lastet. Um dem Baby in so einer Situation eine Pause zu geben, damit die Herztöne sich erholen können, werden die Wehen schwächer. Schlauer Körper.

Im Krankenhaus wird da leider auch immer ein Drama darum gemacht, 1 Stunde Geburtsstillstand und die Panik wird groß. Dabei ist es doch ganz normal, wenn der Körper oder das Baby eine Pause braucht, macht er eine Pause. Einfaches Prinzip. Wir sollten dem weiblichen Körper einfach öfter mal wieder vertrauen und tief in uns herein hören. Wir sind die Mütter, die, die Verantwortung haben, die volle Verantwortung. Und genau das wollte ich! ICH wollte mein Kind auf die Welt bringen, niemand anderes.

Mit jedem Moment, indem ich den Geburtsprozess mehr und mehr durchschaut habe, wurde mir bewusst, was da eigentlich alles schief lief bei Elsas Geburt. Von nicht erfüllten Erwartungen am Anfang (erst 1 cm Muttermund Öffnung), von falschem Veratmen der Wehen, vom nicht Bewegen können, wie ich wollte, bis hin zur totalen Resignation und Abgeben der Verantwortung. Hätte ich all das gewusst, wäre so vieles an diesem Tag anders gelaufen.

Wisst ihr wie eine Katze oder ein anderes Tier unter der Geburt reagiert, wenn Gefahr droht? Alle Sensoren stehen auf Flucht. Damit das kleine Tierbaby nicht herausfällt beim Weglaufen wird alles ganz fest und schließt sich sogar wieder. Nichts anderes passiert, wenn wir uns unwohl fühlen, falsch behandelt oder falsch verstanden fühlen. Unbestimmt. Auch das ist Intervention. Darüber habe ich vorher nie wirklich nachgedacht. Aber es ist alles so verdammt logisch.

Der Tag der Geburt kam also. Niklas machte sich in der Nacht vom 2. Mai auf den Weg. Witzigerweise waren wir zu dem Zeitpunkt auch schon im Krankenhaus. Elsa ist den Abend zuvor  auf den Kopf gestürzt und musste zur Kontrolle eine Nacht bleiben. Was ein Zufall. Ich lag also eng zusammen mit Elsa im Krankenhausbett, als ich merkte, dass die Wehen begannen. Ich bin mir sicher, der Babybruder hätte sich noch Zeit gelassen, wäre die Aufregung vom Vortag nicht gewesen. Nunja. Ich richtete mich auf, setzte mich auf meine Knie und behielt die Wehenabstände im Auge, ließ mich aber nicht aus der Ruhe bringen. Ich war die Ruhe selbst.

Ich war die Ruhe selbst!

Fühlte mich stark und bereit. Wusste, was ich wollte. Mein Traum war es, in der Wanne zu gebären – ohne Intervention. Ich war bereit für alles, was kommt. Öffnete mich beim veratmen  der Wehen. Tief in den Bauch hinein und wieder hinaus. Bei der ersten Kontrolle des Muttermundes war mir das Ergebnis egal. Ich hatte keinerlei Erwartungen: „Es dauert eben so lange wie es dauert“ sagte schon Herr Bulle von Peppa Wutz.

Aber Überraschung, schon 4 – 5 cm. Ich konnte mir ein kleines Grinsen dann doch nicht verkneifen. Ich hatte bis dahin keine Schmerzen. Es war anders. Durch das Atmen wurde alles locker und nicht so verkrampft, wie bei Elsa damals. Ich kämpfte mit der Wehe und nicht gegen sie. Mittlerweile traf auch meine Hebamme ein, ein Segen jemanden bei sich zu haben, dem man absolut vertraut, der die Wünsche kennt und vom dem man weiß, dass nichts passiert, was man nicht will. Ein Gefühl von Sicherheit. Genau das ist es, was man während einer Geburt braucht. Ob Hausgeburt oder Klinikgeburt. Ein sicheres positives Gefühl ist das A und O. Was soll ich sagen, ich gebar Niklas morgens um halb 6, in der Wanne, im knien, interventionslos zu meiner Lieblingsmusik. Es war perfekt. Und das in einer Klinik.

Was ist nun mein Fazit?
Wie kann ich in der Klinik selbstbestimmt gebären?

Vorbereitung und das richtige Mindset ist alles! ALLES! ALLES!
Natürlich kann man nie 100% gewappnet sein. Ein Risiko besteht immer.
Aber man kann die besten Voraussetzung schaffen.

Also was tun, wenn man in einer Klinik selbstbestimmt
gebären möchte:

  1. Informieren bei den richtigen! Quellen. Eine absolute Empfehlung ist meinerseits der Film „Die sichere Geburt“.
    Augenöffnend in jeder Minute. So viele AHA- Erlebnisse hatte ich selten. Ein Segen ist dieser Film.
  2. Einen Geburtsplan schreiben: Was will ich – was will ich nicht. Dieser sollte mit dem Krankenhaus kommuniziert werden. Ich habe bei meinem Gespräch damals sogar gesagt dass ich die Klinik verklage, wenn nur einer auf die Idee kommt, mir auf den Bauch springen zu müssen. Die Ärztin war so geschockt, ich glaube so bestimmt hat sie das auch noch von keinem gehört 😉
  3. Mache dir bewusst, dass du stark bist!
    Das richtige Mindset ist die halbe Miete, nicht nur während der Geburt, sondern während des ganzen Lebens.
    YOU CAN DO THIS! Tschacka.
  4. Unter der Geburt eine sichere, schöne Atmosphäre schaffen. Wenn du merkst, du kannst z.B. mit einer Hebamme einfach nicht und du fühlst dich nicht wohl: Dann schick sie weg oder lass das deinen Mann machen. 😀
    Es geht in diesem Moment nur um dich!
    Um dein Wohlbefinden!
    Darum diesen kleinen Menschen unbeschadet und friedvoll aus deinem Bauch zu begleitet.

Puuuhh ganz schön lang geworden. Aber vielleicht hat man es gemerkt, es ist ein absolutes Herzensthema. In der heutigen Zeit in der es in Kliniken mehr um den Profit geht, als um das Wohlbefinden der Menschen muss man eben selbst den Kochlöffel schwingen und sich nicht auf andere Verlassen. Umso mehr Frauen das machen umso schneller wird sich hoffentlich endlich etwas an dieser Situation ändern.  

Für euch alles alles Liebe!

Julia 

P.S. Wenn dich meine Geburtsberichte interessieren, dann findest du die HIER und HIER  auf YouTube.

Selbstbestimmte Geburt