Eigentlich darfst du nichts mehr –
jedenfalls nicht im Netz
Eigentlich darfst du nix mehr.
Jedenfalls nicht im Netz.
Richtig gelesen. Du darfst heute gar nichts mehr. Nix. Denn egal was du machst, du machst es falsch. Am besten hast du auch keine Meinung oder gar Erfahrungen, die du teilst. Und wehe, du sagst, dass es dir gut oder schlecht geht. Du kannst es gar nicht erst richtig machen. Aus Prinzip schon nicht. Egal was du tust, irgendwer wird sich immer daran stören. Es scheint wie ein neues Hobby im Netz. Es wird bekehrt, bevormundet, vorgeworfen und im schlimmsten Falle angegangen. Puh, der Ton zieht an. Vorbei die Zeiten der kleinen, großen rosa Blase. „Hau raus!“, lautet das Motto. So zumindest scheint es.
Wehe, du kaufst die falschen Cerealien der falschen Marke, oder, auwei auwei, du zeigst dich öffentlich mit einem alkoholischen Getränk, kaufst dir ein Kleid vom falschen Label und Vorsicht, wirklich allerhöchste Vorsicht, wenn du a) Fleisch isst oder b) Veganer bist, wenn du mit dem Flieger in den Urlaub fliegst oder deinem Haustier das falsche Futter gibst. Wie, du hast nicht das gute Öko-Dinkel-Mehl für die Muffins gekauft? Oder aber du kaufst es und „tust“ ja nur auf öko. Pfui. Und wehe, wehe du hast Kinder, dann wird es erst richtig lustig. Aber das ist ein anderes Thema, dem ich gern reichlich Raum in einem anderen Beitrag geben möchte.
JA, OMG, WIE KANNST DU NUR…
Egal wie du dich ernährst, schminkst, kleidest, egal was du tust – alles ist irgendwem nicht recht. Irgendwer hat immer was zu sagen. Alles wird bewertet, beurteilt und kritisiert.
Sei dir sicher, irgendwer stört sich immer an dem, was du oder wie du es tust. Irgendwer weiß es immer besser und egal ob du es hören magst oder nicht, dieser Jemand wird es dir sagen. Wenn du Glück hast in einem netten Austausch, wovon beide Seiten profitieren und etwas haben, wenn du aber Pech hast, und das passiert immer häufiger, dann bekommst du all das lautstark vor den Latz geknallt. Boom, nimm das hier und das und das, und sei still – du, du, du Allesfalschmacher. Austausch? Nein, danke. Weil, es gibt nur meine Meinung. Ganz allein nur meine und keine andere. Und meine Meinung, das solltest du wissen, die ist Gesetz. Wer ist eigentlich dieser Toleranz? Und diese Höflichkeit?
Pass auf, dass dein Kleid nicht zu lang oder zu kurz ist, dein Ausschnitt nicht zu tief {wobei – was ist eigentlich zu tief? wer definiert das?} und deine Ohrringe nicht zu groß. Weil: „Ist nicht böse gemeint, aber du siehst richtig fett aus!“. Ja, danke dir, sehe ich genau so. Ach dieses „ist ja nicht böse gemeint…“, dann ist ja nur noch halb so schlimm. Kein Problem. Danke auch.
So generell wird alles bewertet. Dein Aussehen, dein Tun und wenn es nichts gibt, dann sucht Frau sich etwas. Ich meine, mal ehrlich, hast du schon einmal in den Spiegel geschaut?! Deine Haare, Beine, Brüste, Zähne, dein Bauch, ach und die Zehennägel, die gehen ja wirklich gar nicht, und überhaupt… glaubt man den Stimmen, hat man eigentlich kaum noch eine Daseinsberechtigung. Das ist doch keine schöne Entwicklung. Das kann doch niemanden gut tun. Und vor allem – ernst meinen. Ja zu einer Meinung. Ja zu Austausch. Nein, zu fehlender Toleranz und gar Hate Speech im Netz.
Kaum ein Tag vergeht, an dem ich im Netz nicht irgendwo auf irgendeinem Account {meinem nicht ausgeschlossen} Kommentare lese, die leider so gar nicht der Nettikette entsprechen. Ja, man kann es eigentlich nicht richtig machen. Das muss man auch nicht. Denn was sich für mich richtig anfühlt, muss nicht unbedingt für einen Anderen gut und richtig sein. Wir sind alle so verschieden. Wir alle haben eine Meinung und Prinzipien. Austausch ist wunderbar, denn davon profitieren wir alle. Beide Seiten. Im besten Fall sogar nachhaltig. Austausch erweitert den Horizont und ist damit sehr kostbar für unsere persönliche Entwicklung. Wie oft habe ich über Dinge nachgedacht oder sie gar überdacht, weil mich eine Leserin mit ihren Worten an die Hand genommen hat. Konstruktive Kritik ist gut und wichtig!
Allerdings, so wirkt es auf mich, kippt die Stimmung immer mehr. Viele wollen gar nicht in den Austausch, so scheint es. Sie wollen stattdessen bekehren. Gar nicht bereit für eine Diskussion auf Augenhöhe. Und wieder Andere wollen einfach nur ihre schlechte Laune loswerden und ein wenig stänkern. Hmm, ja, ok. Jeder hat mal einen schlechten Tag. Aber geht man im echten Leben auch zu einem Menschen rüber und stänkert sich aus?! Nein, das macht man nicht. Warum also im Netz?
Wir sollten eines nicht vergessen…
wir sind alle Mensch. Keiner von uns ist unfehlbar. Aber vor allem – wir alle haben ein Herz und Gefühle.
#füreinanderstattgegeneneinader
#fürmehrLiebeimNetz