Die USA geht mit Sexualstraftätern anders um. Härter. Eine Wiedereingliederung gelingt nur schwer. Auch, weil jeder einzelne Sexualstraftäter online aufzufinden ist, mit Foto und Adresse und vollem Namen. Und das für Jedermann. Selbst eine App gibt es. Wohnt in meiner direkten Umgebung vielleicht ein Sexualstraftäter?

Doch, ein Sexualstraftäter kann ein junger Mann sein, der mit seiner jüngeren, noch nicht volljährigen Freundin Sex hatte oder er kann das sein, was wir uns unter einem Sexualstraftäter vorstellen. Elisabeth (hier bei Instagram) hat da wieder einen spannenden Text, der zum Nachdenken anregt, verpasst. Alle Kolumnen von Elisabeth findet ihr hier, jede ist verdammt gut und absolut lesenswert.

Die Frage ist: Wie steht ihr dazu? Würdet ihr euch sowas für Deutschland auch wünschen oder seid ihr der Meinung, dass man diesen Menschen das Recht auf Wiedereingliederung bewahren sollte?

Keine Gnade den Sexualstraftätern der Nation

Amerikanische Website zeigt, wo die ehemaligen Häftlinge wohnen.

Sie jagen uns allen einen eisigen Schauder über den Rücken: die schrecklichen Nachrichten von verschwundenen Kindern, von misshandelten Kindern. Kleine unschuldige Wesen, an denen sich irgendein Mensch sexuell vergeht.

Mit so einer Tat zerstören diese kranken Menschen nicht nur ein unschuldiges Leben, sie selbst rücken an den äußersten Rand der Gesellschaft, werden verachtet und sollen so hart bestraft werden, wie es unser demokratisches Rechtssystem nur irgend möglich macht.

Keine Frage, Sexualstraftäter haben einen schweren Stand. Nicht nur in der Gesellschaft, auch im Gefängnis, unter den anderen Straftätern.

„So lange wie möglich hinter Gitter“, hört man in diesem Zusammenhang häufig. Sie sollen hart, aber eben auch gerecht bestraft werden. Aber was ist das in diesem Fall – Gerechtigkeit?

Irgendwann haben diese Täter ihre Strafe abgebüßt. Viele kommen wieder frei. Und dann? Haben sie ein Recht auf eine zweite Chance? Auf ein normales Leben? Oder laufen sie für immer mit diesem Stigma durchs Leben; sollen sozusagen ewig büssen für das, was sie einem Kind angetan haben?

In den USA gibt es seit 2005 eine offizielle, vom Justizministerium geführte Website, die keine dieser Fragen stellt. Mit einem Klick sieht man sie: die Sexualstraftäter Amerikas. Sie alle sind dort registriert. Und jeder hat darauf Zugriff. Diese Seite soll Eltern und anderen besorgten Bürgern zeigen, wie weit von ihnen entfernt der nächste Täter lebt, wieviele Häuser ihr Kind auf dem Weg zur Schule passiert, in denen ein Sexualstraftäter wohnt. Aufgelistet sind dort neben Namen, Daten und Details zur Verurteilung oft auch ein Foto der Sexualstraftäter. Man gibt die eigene Adresse ein und sieht, wo und wieviele ehemalige Häftlinge in der Nachbarschaft leben, man kann aber auch gezielt nach Namen suchen. Ziel sei es, so das Justizministerium, die Bevölkerung besser zu schützen.

Das Ministerium geht mit der Zeit: mittlerweile hat es sogar eine App herausgebracht. So kann man auch unterwegs verfolgen, ob man auf dem Weg an Häusern vorbeiläuft, in denen Sexualstraftäter wohnen.

Und ich als Mutter bin hin und her gerissen. Möchte ich wissen, wieviel hundert Meter von mir entfernt der nächste Sexualstraftäter wohnt? Muss ich das wissen? Seit sechs Jahren weiß ich von dieser Website. Erst heute, für die Recherche dieses Textes, habe ich erstmals konkret nachgeschaut. In unserem Umfeld von 2 Kilometern leben zwei Sexualstraftäter. Das ist wohl eine ganz gute Quote, wir leben in einer relativ sicheren Nachbarschaft von Washington DC. Aufgelistet sind ihre Namen, ihre Adressen, sowie die Anschriften ihrer Arbeitsstelle. Zu jedem sehe ich ein Foto. Da schauen mich zwei Männer an, regungslos eingefangen von einer Polizeikamera. Der eine, 35 Jahre alt, hatte wohl verbotenes pornographisches Material geschaut, in dem Minderjährige zu sehen waren. Der andere (43) hatte 1995 versucht, eine 16jährige zu vergewaltigen. Zudem erhalte ich noch detaillierte Informationen, um die ehemaligen Häftlinge genau zu identifizieren. Der 34jährige hat zwei Tattoos. Auf dem rechten Arm steht „Jeez“, auf dem linken „Taylor“.  Ein komisches Gefühl, dies zu lesen, das nun zu wissen.

Doch, was ich mit diesen Informationen machen soll, steht nicht auf der Website. Soll ich jetzt Angst haben? Mit meiner Tochter nicht mehr auf den Spielplatz gehen?

Und dann geistert mir noch eine Frage im Kopf herum. Was bedeutet das für die Menschen, die auf dieser Seite registriert sind? Sie werden alle über einen Kamm geschert: Ein kranker Mann, der sich regelmäßig an kleinen Kindern vergreift und ein 22jährigrer, der Sex mit seiner minderjährigen Freundin hatte und deshalb verurteilt wurde. Sie alle könnten genauso gut eine Post-it Note auf der Stirn tragen, auf dem steht: SEXUALSTRAFTÄTER.

Die Botschaft ist klar: Du bist hier nicht erwünscht. Du gehörst hier nicht mehr dazu. Auch nach verbüßter Strafe für immer ausgeschlossen von der Gesellschaft. Ist das die Lösung?

Kommentare

Dieser Beitrag hat 9 Kommentare
  • Susa
    21 Sep 2016 Antworten

    Ist das die Lösung?
    Ich weiß es nicht.
    Aber, aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Das Leben der Opfer ist für immer zerstört. Für immer!
    Warum also sollte es dem Täter besser gehen? Warum sollte er nach einigen, oft wenigen Jahren Gefängnis wieder die Möglichkeit haben, zurück in’s Leben zu finden, wenn es das Opfer niemals wieder kann?

    Natürlich muss man abwägen, WAS hat Jemand getan. Ein 20-jähriger, der mit seiner 17-jährigen Freundin Sex hatte, sollte nichts angeprangert werden, aber das Strafmaß in Deutschland für sexuellen Missbrauch ist meiner Meinung nach zur niedrig bzw. wiegt nicht im geringsten auf, was das Opfer den Rest seines Lebens tragen muss!

  • Sylvia
    21 Sep 2016 Antworten

    Sehr interessanter Text! Und ehrlich gesagt, weiss ich keine Antwort auf diese Frage. Ich weiss das ich der Meiniung bin, dass die Strafen in Europa viel zu niedrig sind. Das Steuerhinterziehung härter bestraft wird als eine Vergewaltigung halte ich für einen absoluten Bullshit. Und ich bin auch der Meinung wer einmal so ein Verbrechen begangen hat, könnte es auch ein zweites Mal, vor allem wenn es um Vergehen an Kindern geht bin ich absolut für viel härtere Strafen und eine regelmässige Kontrolle dieser Personen – ja, auch lebenslang. Ob das jeder sehen soll, weiss ich nicht. Was ich mich Frage ist, was die Menschheit mit dieser Info anfangen soll. Die Kinder nicht allein zur Schule schicken? Immer ein schlechtes Gewissen haben, wenn man sein 10 jähriges allein raus lässt? Bringt es etwas oder schürt es doch nur die Angst? Passieren kann ja theoretisch auch etwas wenn der nächste Täter im Ausland wohnt und gerade vorbei gekommen ist.

    Liebe Grüsse
    Sylvia
    http://www.mirrorarts.at/

  • Susi
    21 Sep 2016 Antworten

    Also ich habe dazu eine ganz klare Meinung. Wer anderen Menschen ein solches Leid zufügt mit welchem sie ihr ganzes Leben klar kommen müssen, hat sein Recht auf ein „gutes“ Leben nach dem Gefängnis verwirkt. Die Opfer leben schließlich auch jeden Tag in ihrem eigenen Gefängnis und werden aus diesem so schnell nicht entkommen.
    Wenn ich, wie aus dem aktuellen Fall, höre, dass ein Kinderschänder nur knapp 2 Jahre Haft bekommt weil er im Gefängnis nicht so gut klar kommen würde und das Opfer es angeblich ganz gut weggesteckt hat, erfüllt mich das mit Wut. Wer kann wissen wie es in dem Opfer aussieht? Das ist doch ein Schlag ins Gesicht.
    Solche Neigungen sei es für Kinder oder anderen Menschen Gewalt anzutun sind ja keine normalen Gedanken und ich glaube nicht, dass diese Personen ausreichend rehabilitiert werden können.

  • Madeleine
    21 Sep 2016 Antworten

    Sehr interessante Kolumne von Elisabeth!
    Es macht einen wirklich sehr nachdenklich… Ist unsere Strafverfolgung einfach zu lasch oder sind unsere Strafen für viele Vergehen zu niedrig/zu hoch gegriffen?! Sicher ist, dass das Strafmaß bei Gewaltverbrechen in Deutschland zu gering ausfällt – da bin ich fest davon überzeugt! Oder weshalb liest man immer öfter von gewaltsamen Übergriffen an Frauen. Ich denke dabei speziell an die sexuellen Übergriffe in Köln in der Silvesternacht 15/16. Schlimm. Beantworten kann ich jedoch nicht, ob ich wissen möchte, dass ich vielleicht mit einem Sexualstraftäter Tür an Tür wohne…Findet man es aber per Zufall heraus, wäre dass für mich wahrscheinlich ein Grund umzuziehen. Auf ständiges Unwohlsein und Angst hätte ich keine Lust!

    Viele Grüße
    Madeleine

  • Leyla
    21 Sep 2016 Antworten

    Ich bin grundsätzlich der Meinung das der Opferschutz immer vor den Täterschaft kommt und das ein Mensch der einem anderen Menschen in diesem ausmaß Gewalt antut jegliches recht auf Persönlichkeitsrechte verliert und das sein leben lang! Ein mensch der ein Kind vergewaltigt (aber auch nur der Versuch) hat sein recht auf einen Platz in unserer Gesellschaft verwirkt!!!! Denn selbst wenn er Krank ist und nichts für seine Neigung kann, weiß er dennoch das dies falsch ist und er somit das leben des Kindes für immer zerstört, wenn er also einmal seiner Neigung nachgegeben hat wird er das immer und immer wider tun! Ich als Mutter möchte wissen wenn so ein mensch in meiner Nachbarschaft lebt, ich möchte in der Lage sein ihm aus dem weg zu gehen und die Polizei zu rufen wenn er sich einem Spielplatz nähert!
    Allerdings wo es kein Opfer gibt sollte es auch keinen Täter geben d.h. hat eine 17 jährige mit ihrem 22 jährigen Freund einvernehmlich Sex gibt es weder Opfer noch Täter und somit sollte der 22 jährige auch nicht zu einem solchen gemacht werden. Solange es sich nicht um eine 13 jährige und einen 40 jährigen handelt und beide mehrmals bestätigen das es im Einvernehmen geschehen ist, sollte den Eltern das recht verwehrt werden den Freund und Sexualpartner ihrer Kinder anzuzeigen.

    Was ich aber ebenso wichtig finde ist auch mal mehr auf Frauen zu schauen, erst vor ein paar Monaten erzählt mir eine bekannt von ihrem 12! Jahre alten Neffen der mit seiner 19! Jährigen Freundin sex hat! Auch hier ist etwas nicht normal! Aber der Schutz von Jungs wird leider noch bis heute nicht so groß geschrieben wie der von Mädchen!

  • Carrie
    22 Sep 2016 Antworten

    Sehr gelungene Kolumne – aber meine Meinung ist eindeutig – wer anderen Menschen solches Leid antut hat sein Recht auf ein eigenes freies Leben verwirkt.
    Die Gesetzte in unserem Land sind viel zu milde für solche Taten.
    Das was diese Menschen getan haben kann in keinster Weise wieder gut gemacht werden – und für so etwas hat auch niemand eine zweite Chance verdient – denn die Opfer haben diese auch nicht und leiden ein Leben lang.

  • Angelika
    22 Sep 2016 Antworten

    Sehr interessanter Bericht, aber auch in Deutschland gibt es ganz klare Strafen. Die meisten sexualstraftäter gehen nicht ins Gefängnis, sondern in den Maßregelvollzug und das nach Paragraph 63. Der ist Open end. Also einfach nach ein paar Jahren entlassen, stimmt wirklich nicht.
    Solch eine Datenbank bringt keinen Schutz für potentielle Opfer. Da wägen sich die Amerikaner in falscher Sicherheit.

  • Nonna
    23 Sep 2016 Antworten

    Angelika hat vollkommen recht. Der massregelvollzug kann theoretisch lebenslänglich andauern auch wenn jemand nicht schuldig gesprochen wird. Die deutschen Gesetze sind nicht so schlecht wie sie immer geredet werden. In die Medien gelangen immer nur die Extremfall. Absolute Sicherheit wird es niemals geben. Außerdem: traurig aber wahr. Der weitaus größte Anteil von sexualstraftaten geschieht im Familien und Bekanntenkreis und gelangt nie zur Anzeige… Alles andere passiert nicht soooo oft und heute nicht öfter als immer schon. Wir erfahren einfach heutzutage mehr.

    Und ich frage mich ernsthaft was man mit der Information anfangen will dass zwei Straßen weiter ein ehemaliger sexuualstraf Täter wohnt… ? Was bringt Das?

  • Aleksandra
    23 Sep 2016 Antworten

    Ich möchte mich meinen Vorrednerinnen anschließen, das Rechtssystem bzw. die jeweilige Strafandrohung für solche Verbrechen sind nicht so „lasch“ wie es immer dargestellt wird. Ich denke auch, dass selbst noch höhere Strafen die Täter nicht abschrecken würden und die Taten nicht verhindern würden. Selbst in Ländern wie den USA, in denen die Todesstrafe noch praktiziert wird, schreckt diese die Täter nicht vor der Begehung von den jeweiligen Straftaten ab.
    Mich würde tatsächlich die Tatsache, dass für Jedermann zugänglich veröffentlicht wird, dass ich ein Sexualstraftäter egal welcher Art bin, mehr abschrecken als auch eine noch so hohe Strafe. Ob das Bereitstellen der Informationen jedoch die richtige Abschreckungsmaßnahme oder doch nur Schikane ist, sei nun dahingestellt.

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