Irgendwas zwischen Himmel und Erde!
Der Tod ist nicht das Ende

Letztes Jahr auf Koh Samui ist etwas passiert. Etwas, das mich bis heute berührt und beschäftigt. Etwas magisches.

Damals bin ich so richtig angekommen auf Samui, an dem einsamen Strand mit dem friedlichen Meer, mit dem Blick in die Ferne auf die kleinen Inseln. Kaum Menschen, weit und breit nichts, fast immer ist man allein. „Ein Ort wie der Himmel. Paradiesisch!“, dachte ich immer und immer wieder. Die Sonnenuntergänge Abend für Abend stets ein Spektakel. Eben wie im Paradies. Fast jeden Tag saß ich da und konnte mein Glück nicht glauben, die Schönheit unserer Natur nicht fassen.

Und dann, eines Tages, lernte ich Magalie und ihre Tochter kennen. Jedes Jahr kommen sie nach Samui, jedes Jahr für zwei Wochen. Jedes Jahr an diesen einen Strand, in dieses eine nahezu einsame Hotel und immer in den gleichen Strandbungalow. Eine offene und sympathische Frau, mit vielen Sommersprossen und kurzen blonden Haaren. Mama von einem ganz besonderen Teenie-Mädchen. Einfühlsam, sehr ruhig, herzlich, so voller Liebe. Wie Magalie da vor mir stand, mich anstrahlte und einfach drauf los sprach – da habe ich sie direkt ins Herz geschlossen. Und doch fiel mir eines sofort auf – ihre traurigen Augen.  

Wisst ihr, Magalie ist in Belgien Ärztin. Ihr Mann Ingenieur, war über Jahrzehnte in der Entwicklungshilfe tätig. Als Macher. Er war es, der vor vielen vielen Jahren (und bis heute} ein großes Hilfsprojekt in Pattaya / Thailand gegründet und geleitet hat. Ein Ort der Hilfe und des Schutzes. Kostenlose ärztliche Versorgung, Bildung, ein sicherer Raum für Kinder und Frauen aus der Region. Eine Krippe und ein Kindergarten, Aufklärungsarbeit. Ein weiteres Hilfsprojekt in Kambodscha folgte. Er lebte dafür, er war ein Mensch mit Weitblick und Herz – sagte mir Magalie. Ein Großteil des Jahres war er in Pattaya vor Ort und half.

Als Magalie ihren Mann kennenlernte, war sie jung und gerade einmal Ärztin. Ihr Mann hingegen war schwer verletzt und krank, als sie ihn das erste Mal sah. Sie verliebten sich, er überstand die Krankheit {allen Prognosen zum Trotz} und fortan waren sie ein {Ehe}Paar. Er begeisterte sie für Thailand und sein Projekt in Pattaya, sie flog in ihren Urlauben hin und behandelte vor Ort kostenlos Patienten. Ja, und zwei Wochen im Jahr gehörten allein ihrer Familie – Urlaub auf Samui. Tauchen, schnorcheln, erholen, Kraft tanken, bevor es für ihren Mann wieder zurück zum Hilfsprojekt ging und für sie in ihre Praxis nach Belgien. Jahr für Jahr, jedes Jahr. Tüchtige Menschen mit viel Kraft und Nächstenliebe.

In jedem ihrer Worte spürte man diese tiefe Liebe und Verbundenheit, die Wertschätzung ihrem Mann gegenüber. Noch heute denke ich, das muss etwas ganz besonderes gewesen sein.

Er schlief für immer ein und war dennoch da!

Letztes Jahr im April schlief Magalies Mann neben ihr ein und wachte nie wieder auf. Einfach so, ohne Vorwarnung.

Magalie erzählt mir später, ihr Mann hätte nur einen Wunsch gehabt. Er wollte zurück nach Koh Samui und hier seine letzte Ruhe finden. Im Meer, an diesem Strand, vor diesem einen Bungalow – in dem sie als Familie so viele wunderschöne Momente und Urlaube verlebt haben. Fernab von Leid und Verpflichtung. An seinem Ort des Glücks und des Friedens.

Ein Julitag auf Koh Samui. Es ist ein heiß-schwüler Tag im Paradies und doch liegt Unruhe in der Luft. Am Abend: Dicke, schwarze Wolken, so tief und fast zum greifen nah. Ein Sturm zieht auf, schnell und unaufhaltsam. Der Himmel zieht immer weiter zu, bis er düster und unheimlich wirkt. Und das sonst so ruhige Meer wird wild, die Wellen peitschen an den Strand. Ich treffe Magalie an der Rezeption, mit einer Urne in ihren Händen. Hübsch hat sie sich gemacht und herausgeputzt hat sie sich. Ebenso ihre große Tochter – in ihrem neuen Kleid, welches wir am Tag zuvor gemeinsam in einer Mall gekauft haben. Magalie fragt, ob ich mitkommen mag, an den verlassenen Strand. Ja, sage ich und versuche dennoch unsichtbar zu bleiben. Es scheint, als würde die Welt untergehen. Der Himmel so schwarz und die Wolken so mächtig, das Meer ganz aufgebracht und wütend. Ein echter Sommersturm. Ich setze mich unweit in den Sand und beobachte.

Magalie, ihre Tochter und eine Mitarbeiterin, die sich der Familie eng verbunden fühlt, stehen in den peitschenden Wellen. Ich habe Tränen in den Augen – vor Ergriffenheit. Sie öffnen die Urne, sie sprechen, aber ich kann nicht hören, was sie sagen und als die Asche das Wasser berührt… steht das Meer still. Plötzlich, wie aus heiterem Himmel. Keine wilden Wellen mehr, nur noch dieser tief hängende schwarze Himmel. Ich kann noch immer nicht in Worte fassen, was da passiert ist. Und noch heute bekomme ich Gänsehaut, wenn ich an diesen Moment zurückdenke. Denn das war nicht von dieser Welt. Da war irgendwas. Etwas Großes. Ich kannte Magalies Mann nicht, ich hatte keine Verbindung zu ihm und doch habe ich ganz klar gespürt, dass er da war. Seine Präsenz. Ich kann es noch heute nicht fassen, nicht richtig greifen. Aber es hat mir gezeigt, dass es wahrhaftig etwas zwischen Himmel und Erde gibt. Da ist was, etwas, das viel größer ist, als alles, was wir kennen oder nur erahnen können.

Liebe endet niemals, auch nicht mit dem Tod.

Kurz darauf schicken Magalie, ihre Tochter sowie drei Mitarbeiter Lichter mit Wünschen in den Himmel. Und später an diesem Abend sitzen wir alle gemeinsam an der Rezeption. Während im Hintergrund ausgewählte Lieder laufen, die Magalie und ihrem Mann etwas bedeutet haben, essen wir Eis und es wird gelacht. Immer wieder werden Anekdoten erzählt, es herrscht eine traurig-schöne Stimmung. Trauer liegt in der Luft, keine Frage. Aber da ist auch so viel Leben, so viel Glück, so viel Dankbarkeit.

Wie Magalie sagte: „Das ist nicht das Ende, er ist hier und wird es immer sein. Bis wir uns wiedersehen!“.

 

Kommentare

Dieser Beitrag hat 9 Kommentare
  • tamina
    11 Mrz 2017 Antworten

    So fesselnde Zeilen. Es scheint als ob es eine Familie ist, die so viel Liebe im Herzen hat und ihre Bedürfnisse hinten dran stellt. Allein die Projekte, die sie auf der Insel, voller Tatendrang ausübten.
    Und ja, es gibt etwas Mächtiges, die einen Glauben daran, die anderen nicht.
    Er nennt sich: j e s u s! Daran glaube ich!
    „Du, Gott, herrschst über das ungestüme Meer, du stillst seine Wellen, wenn sie sich erheben.“ (Ps 89,10)

    Und ich glaube, dass diese Familie auch diesen Glauben im Herzen trägt!

    Gott steckt voller Wunder.
    (nein, keine Sekte, kein zeugen Jehovas etc.)

  • Mareike
    11 Mrz 2017 Antworten

    Gänsehaut.

  • Nadine
    12 Mrz 2017 Antworten

    So traurig und zugleich so schön. Das ist LIEBE.

  • Melli
    12 Mrz 2017 Antworten

    Wunderschön …. ( bis das der tot uns NICHT scheidet ) !

  • Rosamunde
    12 Mrz 2017 Antworten

    Es wird wieder fleißig Sprite getrunken im Paradies. Kein Wunder, dass der Wutbürger überschäumt vor Energie.

  • Elbkind
    12 Mrz 2017 Antworten

    Kann mich meiner Vorrednerin nur anschließen… Gänsehaut.

  • Sarah
    13 Mrz 2017 Antworten

    Liebe Janina,
    danke für diese Zeilen. Auch ich glaube, nein weiß, dass es noch mehr gibt als das Sichtbare. Es tut gut, zu erfahren, dass es noch mehr Menschen so geht. Wenn ich anderen von meinen Erfahrungen erzähle, ernte ich meistens nur Kopfschütteln. Diese Menschen tun mir leid, denn sie öffnen sich nicht, ihr Herz bleibt um wunderbare Erfahrungen ärmer.

    Alles Liebe, Sarah

  • Steffi
    19 Mrz 2017 Antworten

    Ich habe selten so schöne Zeilen gelesen.. ich bin so ergriffen von dieser Geschichte. Traurig – schön.. das trifft es wirklich am besten!

    Alles Liebe!

  • Marie
    19 Mrz 2017 Antworten

    Wunderschöner Text. Da bekommt man tatsächlich Gänsehaut.

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