EINMAL MEXIKO UND ZURÜCK
|| AUSWANDERN AUF ZEIT ||

Ich wollte schon immer reisen, viel reisen. Andere Kulturen kennenlernen, Fremdsprachen lernen, unterschiedliche Gerichte ausprobieren, einfach quer und durch das Land stöbern und dabei meine Reiselust stillen.

Wahrscheinlich war das der Grund, warum ich „so spät“ meinen Traummann und meinen zukünftigen Mann kennengelernt habe. In unserem ersten Jahr haben wir kreuz und quer gemeinsam Deutschland erkundet und schon ziemlich bald kam unsere Tochter zu Welt. Ihr wisst schon – das erste Kind, ein Haus bauen, Hochzeit planen etc.. Wir haben es nur einmal nach Mallorca geschafft. Aber tief in meinem Herzen war noch dieser fest verankerte Traum, mehr zu sehen, um später mit anderen Augen die Welt, Deutschland und das eigene ICH betrachten zu können. Irgendwie den Sinn des Lebens erkennen, das Glück und sich selbst finden.

Mein Mann hat „nur“ einen Traum – beruflich weiter zu kommen. So kamen wir beide auf unsere Kosten, als das Angebot „in Mexiko ein Automobilwerk aufbauen“ kam. Ich freute mich darauf, den Nordamerikanischen Kontinent kennenlernen zu dürfen und mein Mann war glücklich über die Möglichkeit, sich beruflich und finanziell verwirklichen zu können.

Nun durfte das Abenteuer Mexiko für uns beginnen. Davor hieß es packen, sortieren, was wir brauchen, worauf wir verzichten können, was unbedingt mit muss, was evtl. die Hin- du Rückreise nicht heile überstehen könnte und besser daheim auf uns warten soll.

Nun war der Container auf hoher See und wir im Flugzeug.

Es war der 20. Juni  2015. Ich hasse Abschiede. Nein, ich kann damit einfach nicht umgehen. Mir fällt es leichter sich nach einem Bier in der Disco zu verabschieden, statt am Flughafen Elefantentränen zu heulen. Ich bin vorbelastet. Ich war 15 Jahre alt, als wir damals meine geliebte Heimat, meinen Geburtsort, meine erste große Liebe verlassen haben. Ich wusste, dass eigentlich Deutschland meine Heimat ist (da wir Russlanddeutsche sind), aber als Teenager denkt man mit Sicherheit nicht an ein besseres Land und somit an eine bessere Zukunft. Aus genau diesem Grund habe ich alle Freunde gebeten, uns am Tag der Abreise nicht zu verabschieden und schon gar nicht zum Flughafen zu kommen. Es war ein Samstag und es war ein kalter, regnerischer Sommermorgen. Meine Familie ist nochmal ins Haus gekommen. Wie meine Nachbarin es mir später geschildert hat, war der Abschied wohl traurig und sehr dramatisch. Es sind viele Tränen geflossen, nur nicht bei uns. Für uns war das irgendwie immer noch nicht so richtig real! Unsere Tochter war damals zwei Jahre alt. Ich denke für die Großeltern gibt es tatsächlich nichts Schlimmeres als die Kinder für 2,5 Jahre verabschieden zu müssen. Am Flughafen warteten schon unsere Freunde, trotz meines Verbotes, auf uns. Im Nachhinein hat es noch einmal sehr gut getan, etwas miteinander zu lachen und vertrauten Menschen aus dem Sicherheits-Check winken zu können. Im Flieger hat unsere Tochter innerhalb dieser 24 Std. nicht geschlafen und hat auch uns weder schlafen noch essen lassen. Es war ein sehr anstrengender und langer Flug. Am Flughafen in Mexiko Stadt angekommen, fehlte jede Spur von unserem bestellten Transport. Mit einem Kleinkind, 10 Gepäckstücken, total übermüdet und ohne Sprachkenntnisse machten wir uns auf die Suche nach einem Taxi Richtung Puebla. Wer suchet, der findet! So auch wir!

24 Stunden ohne Schlaf,
Herzlich Willkommen in Puebla

In Puebla haben wir dann den ersten Schock schon mal überwunden. Unser Abenteuer kann also endlich beginnen!!!

Abenteuer!?

Wie oft habe ich mich die ersten drei Monate gefragt, ob das die richtige Entscheidung ist. Ob wir als Paar zurückkommen werden und unser Kind das alles schadenfrei überstehen wird. Aber WARUM und WAS ist so schlimm an Mexiko, dass ich diese Ängste hatte!? Magenprobleme, Gewichtsverlust, schlaflose Nächte, weil das Kind die ganze Nacht geschrien hat, Leben aus den Koffern und nur mit dem Nötigsten (weil der Container erst 8 Wochen später nach uns ankam), Umzug in ein anderes Haus (auch eine lange Geschichte), Sprachbarriere, keine Freunde und wahnsinniges Heimweh haben uns sehr zu schaffen gemacht.

Natürlich hält man sich vor Augen, dass es eine gut durchdachte Sache ist und dass es nur der Anfang ist, bekanntlich ist jeder Anfang schwer. Aber man kommt sehr schnell an seine Grenzen. Zwei Monate später durfte auch ich anfangen zu arbeiten und es ging alles bergauf. Der Container war endlich da, es entstanden erste Bekanntschaften, die Tochter hat angefangen Spanisch zu sprechen, unser Au-pair Mädchen hat sich gut eingelebt. Alles war so weit geregelt und wir atmeten auf. Bis ich gemerkt habe, dass mich mein 12-Stunden-Arbeitstag, weshalb ich meine Tochter nur eine Sunde am Tag erleben konnte, mich sehr unglücklich macht. Trotz all der Begeisterung für meinen Beruf.

Ich wäre nicht Tanja, wenn ich mein Glück nicht selbst in die Hand nehmen würde. Und so kürzte ich meine Stunden und konnte zwei Tage Homeoffice aushandeln. Glückliches Kind, eine tolle Arbeit, interessante Aufgaben, eigenes Einkommen, Ausland und Reisen.

Lehrer-Proteste, Erdbeben und Drohanrufe –
Mexiko ist Mexiko und nicht Deutschland

Es lief so lange gut, bis wir feststellen mussten, dass unsere Nanny, die drei Mal die Woche auf Lilly aufgepasst hat – nicht die war, für die sie sich verkauft hat. Das Gefühl als Eltern versagt zu haben, werde ich niemals vergessen. Was wir uns nachts nicht alles ausgemalt haben. Was alles hätte passieren können. Ab dem Zeitpunkt habe ich aufgehört zu arbeiten! Radikal, ohne wenn und aber habe ich meine Sachen gepackt und bin nach Hause gegangen.

Nun ja, so einige Enttäuschungen, Ängste, Schwierigkeiten kamen dann hinterher. Schlimme Erfahrungen mit Lehrer-Protesten, Proteste im Allgemeinen und Streiks in Mexiko nach Erhöhung der Benzinpreise mit gewalttätigen Ausschreitungen, Gelddrohanrufe, Spinnen im Haus (giftige, gefährliche und auch sehr eklige), zwei Erdbeben, Autounfälle, Verabschiedungen von Freunden, Heimweh, Weihnachten ohne Familie und noch einiges mehr.

Natürlich klingt das alles sehr negativ und natürlich war das nicht alles einfach. Insgesamt 2,5 Jahre in Mexiko ist auch eine sehr lange Zeit! Neben all den negativen Dingen ist aber auch so viel Gutes passiert. Die Geburt von unserem kleinen Mexikaner. Träume, die wir uns hier erfüllt haben wie: Urlaube in der Karibik, Weihnachten in New York, ein Coldplay Konzert in San Francisco, Dia de Muertos in Mexiko Stadt, weitere ganz spannende Rundreisen durch Mexiko, Rundreise an die West- und Ostküste in den USA. Und währenddessen haben wir uns auch in Deutschland einen großen Traum erfüllt und unser Haus vergrößert.

Wir lachen, tanzen und genießen das Leben mehr als je zuvor!

Freundschaften haben wir hier geschlossen, haben uns als Familie gefunden. Wir sind so stark zusammen gewachsen wie noch nie zuvor. Wir, eine kleine Familie aus Niedersachsen, sind ein Beispiel dafür, dass man seine Komfortzone, die Bequemlichkeit verlassen kann, um „die Welt“ zu sehen und um seine Träume zu leben. Um zu sehen, wie andere Menschen leben, feiern, lieben, essen und arbeiten. Unsere Augen sind offener, unser Verständnis ist ein anderes und unsere Herzen sind größer geworden. Wir lachen, tanzen und genießen das Leben mehr als je zuvor.

Nun betreten wir zum ersten Mal nach 2,5 Jahren in weniger als 24 Std. den deutschen Boden und die Aufregung ist mindestens genau so groß wie damals vor dem Leben in Mexiko! Aber eines ist uns sicher und klar – wir haben uns!

Wir, eine kleine Familie aus Niedersachsen, die das Leben in Deutschland zu schätzen gelernt hat.

 

DIE AUTORIN:

Tanja. Tanja aus Niedersachsen, die mit ihrer kleinen Familie Mexiko für sich entdeckt hat.

Wenn ich an Tanja denke, dann ist da Lebensfreude. Ganz ganz viel Lebensfreude. Dann ist da Spaß, Humor und ganz viel Liebe. Ja, Tanja ist eine Powerfrau und ich folge ihr auf Instagram, wo sie unter dem Namen Positive_Mama {der Name ist Programm} zu finden ist, so unheimlich gern. Ich liebe die Anekdoten aus ihrem Alltag und schätze sie für ihre unbefangene und offene Lebensweise.

Ihr findet Tanja HIER.

Kommentare

Dieser Beitrag hat 3 Kommentare
  • Delia
    10 Jan 2018 Antworten

    Was eine schöne Geschichte 🙂 Ich wünsche euch ein tolles Ankommen zurück in Deutschland und vielleicht magst du ja irgendwann erzählen, was du jetzt an Mexiko vermisst.

    • Tanja
      11 Jan 2018 Antworten

      Dankeschön.☺️ Sehr gerne kann ich es erzählen. Im Moment-vier Wochen nach der Rückkehr kann sagen. Noch nichts! Das kann sich evtl. Noch ändern ?. Ganz liebe Grüße, Tanja.

  • Sylvia
    11 Jan 2018 Antworten

    Sehr schöner Post! Wow Mexiko! Das find ich wirklich mutig, was anderes als nur ein europäisches Land. Gerade als Frau mit Kind da alleine unterwegs zu sein…

    Liebe Grüsse
    Sylvia
    https://www.mirrorarts.at – 3 Monate Weltreise

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