Die liebe Elisabeth berichtet live aus Washington über den amerikanischen Wahlkampf. In 33 Tagen wird der oder die neue PräsidentIn gewählt. Für viele US-Amerikaner eine Entscheidung zwischen Pest und Cholera. Elisabeth ist Journalistin und spricht in den letzten Wochen mit vielen Bürgern über die Wahl. Amerika ist verunsichert und es bleibt spannend..

HIER findet ihr alle Gastkolumnen von Elisabeth. Danke Dir, für einen weiteren tollen Text. Danke, dass du uns mit deinen Texten inspirierst und zum nachdenken bewegst.

 

Die verunsicherteren Staaten von Amerika
Ein Land zwischen Angst und Hoffnung

Was haben wir gelacht. Was haben wir uns lustig gemacht. Als Donald Trump 2015 verkündete, er wolle sich um das mächtigste Amt der Welt bewerben. DER Donald Trump? Der durchgeknallte Milliardär mit der komischen Frisur? Soll er mal machen. Die Vorwahlen wird der doch eh nicht überleben…

Keine Frage, niemand nahm die Ambitionen des New Yorker Immobilienhais ernst und doch wurde darüber berichtet. Einfach, weil es so absurd, so skurril war.

Noch 33 Tage und dann ist es soweit. Amerika wählt. Trump oder Clinton. Und die Wahl könnte spannender nicht sein. Denn sowohl „The Donald“ als auch „Hillary“ haben gleich gute Chancen. Besser sollte man schreiben: gleich schlechte Chancen, denn in der amerikanischen Wahlkampfgeschichte gab es noch nie so unbeliebte Präsidentschaftskandidaten wie diese beiden.

Es ist für viele Amerikaner wahrlich eine Entscheidung zwischen Pest und Cholera.  Er, der rumpöbelnde Rechtspopulist, der Behinderte, Schwule, Muslime und Frauen aufs Übelste beschimpft und beleidigt. Auf der anderen Seite sie, die Ex-First Lady und ehemalige Außenministerin, die das verkörpert, von dem viele in diesem Land die Schnauze voll haben: das politische Establishment. 

Nach der Euphorie vor acht Jahren, als der erste schwarze Präsident gewählt wurde, ist da nun diese große Leere, diese Ernüchterung, diese Wut. Von Obama wurde Übermenschliches erwartet. Amerika, ach, wir alle waren doch verliebt, in diesen charismatisch lässigen Präsidenten und seine Traumfrau. Michelle und Barack Obama, was für ein Paar!

Nach dem verhassten George W. Bush galt Obama als Erlöser. An diesen überhöhten Erwartungen konnte er nur scheitern.

Wenn aber selbst der so erfrischend anders denkende Obama in den Augen vieler Millionen Amerikaner gescheitert ist – kann man dann nicht alle Politiker vergessen? Vielleicht braucht es jetzt einen, der mit der sogenannten politischen Klasse so rein gar nichts am Hut hat. Einen Außenseiter. Einen erfolgreichen Businessman.  Vielleicht kann so einer das Land wieder groß machen, so wie seine Unternehmen. „Let’s make America great again“. Dass Donald Trump dieses Wahlkampfversprechen wahr macht, das glauben viele Wähler.

In den vergangenen Monaten bekomme ich häufig SMS oder Anrufe von Bekannten aus Deutschland. Darin taucht irgendwann die Frage auf: „Aber der schafft das doch nicht wirklich, oder?“ Und meine Antwort ist ganz klar: Da wäre ich mir nicht so sicher. Selbst die klügsten Experten haben den Mann unterschätzt.

Ich persönlich halte rein gar nichts von Donald Trump – und jeder, der ein bisschen das politische Weltgeschehen verfolgt (und jeder mit gesunden Menschenverstand), durchschaut seine leeren und realitätsfremden Versprechen und Ideen.

Doch durch meinen Job spreche ich mit vielen Amerikanern im ganzen Land. Sie leben in Großstädten an der Ost-, oder Westküste, auf dem Land im tiefsten Süden, im hohen Norden – und ich höre mir ihre Gedanken, Träume und Sorgen an. Und egal, zu welchem Thema ich gerade recherchiere, eine Frage stelle ich immer: Und, wen wählen Sie am 8. November?

Manche sagen, sie wählen Hillary Clinton, auch wenn sie sich nicht mit ihr identifizieren können – einen Trump wollen sie aber verhindern; andere schwärmen von ihr: endlich eine Frau! – wieder andere verachten sie. Sie gehen erst gar nicht wählen. Trump sei ja keine Option.

 

Manche lieben Trump. Er folge keinen Konventionen. Er spreche aus, was andere sich nicht einmal zu denken trauen. Manche wollen ihn wählen, um dem politischen Washington „einen Denkzettel“ zu verpassen. In diesem Land ist – ähnlich wie in Deutschland – eine große Verunsicherung zu spüren. Und Wut. Dieser Wunsch nach irgendeiner Veränderung macht viele fast blind.  Sie können Trumps populistische Parolen und leere Versprechungen nicht mehr durchschauen. Wie in einer Beziehung, in der man sich wünscht, dass alles gut wird und all die negativen Dinge und Alarmsignale nicht sehen mag, nicht sehen kann.

Anfangs verfolgte ich Trumps Wahlkampfreden noch ungläubig  ( „Das hat er gerade nicht wirklich gesagt“), mittlerweile zucke ich nicht einmal mehr mit den Schultern, wenn er wieder und wieder ins Mikrofon schreit, er würde eine Mauer an der mexikanischen Grenze errichten, Millionen illegaler Einwanderer deportieren. Er macht sich über Menschen mit Behinderung auf offener Bühne lustig, in dem er sie nachmacht, er sagt über eine ehemalige Schönheitskönigin im Fernsehinterview, sie sei „fett wie ein Schwein“ geworden. Dass seine Entgleisungen inzwischen niemanden mehr überraschen, das finde ich schrecklich.

Übrigens hat auch Hillary Clinton durchaus Dreck am Stecken. Ich habe sie selbst schon auf Veranstaltungen erlebt. Ich kann wenig mit ihr anfangen. Die Jahrzehnte in der Öffentlichkeit haben ihre Spuren hinterlassen: ihr perfektes Kameralächeln wirkt hart, nicht herzlich. Sie bemüht sich um persönlichen Kontakt, doch auch wenn sie direkt vor einem steht, scheint sie so weit weg. Als Außenministerin benutzte sie verbotener Weise einen privaten Server für ihre Emails und Indizien sprechen dafür, sie habe ihre Position ausgenutzt. Sie habe bevorzugt hochrangigen Menschen eine „Audienz“ gegeben, die sich auch für ihre Stiftung „Clinton Foundation“ engagierten und Millionen spendeten. Doch in Sachen Weltpolitik, weiß sie wovon sich spricht. Im Gegensatz zu ihrem Kontrahenten. Und im Vergleich zum sprunghaften Schaumschläger Trump wirkt sie berechenbar, verantwortungsbewusst, präsidial.

Noch 33 Tage, dann hat Amerika die Qual der Wahl. Für mich als Beobachterin eine spannende und zugleich beängstigende Zeit.

Ich wünsche den Amerikanern, dass sie am Ende bei ihrer Wahlentscheidung nicht nur auf die zwei Personen schauen, sondern vor allem auf die Inhalte, die Clinton und Trump vermitteln. Und sich in der Wahlkabine fragen, für welche Werte Amerika stehen soll. Ich wünsche es diesem Land – und meiner kleinen Tochter, die in den USA geboren ist.

Kommentare

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare
  • Georg
    5 Okt 2016 Antworten

    Super geschrieben! Ich bin schon so auf Sonntag gespannt, wenn sich die beiden wieder gegenüberstehen ?

  • Sylvia
    6 Okt 2016 Antworten

    Ach das ist so schade. Ich war immer grosser Fan von Obama – auch wenn ich keine Ahnung von Politik habe – habe ich doch bei ihm immer ein gutes Gefühl gehabt. Mal sehen was passiert. Auf die nächsten Deutschen Wahlen bin ich auch gespannt. Ich denke ja da wird sich auch was tun.

    Liebe Grüsse
    Sylvia
    http://www.mirrorarts.at/

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