Elisabeth ist zurück, mit einem neuen Beitrag und noch wunderbareren Neuigkeiten. Elisabeth ist schwanger und erwartet ihr zweites Kind, in den USA. Eine spannende Zeit. Aber wie ist das eigentlich, in den USA schwanger zu sein? Ist die Vorsorge ähnlich oder doch ganz anders? Das erfahrt ihr heute.

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Schwanger in Amerika, oder auch: der Mut zur Lücke.
Mein Erfahrungsbericht.

Egal wie, wann und wo sie es erfährt: sobald eine Frau weiß, sie ist schwanger, beginnt sie plötzlich: diese aufregende, manchmal verunsichernde und zugleich wunderbare Reise der Schwangerschaft. Für mich begann diese aufregende Zeit in einem spannenden Umfeld, denn ich wusste von Anfang an, dass mein Kind in Amerika zur Welt kommen würde. Vor dem positiven Schwangerschaftstest war ich in den USA nur in absoluten Notfällen beim Arzt. Jetzt hieß es: Google öffnen und herumtelefonieren. Schließlich landete ich bei einer großen Gemeinschaftspraxis mit 23 Ärzten. Ich beschloss bei jedem Besuch einen anderen Arzt auszuprobieren, bis ich auf jemanden treffen würde, der mir sympathisch ist.

Nach dem ersten Termin war ich überwältigt. Die Dame im weißen Kittel hatte wohl durchaus Ahnung, allerdings ratterte sie die Informationen wie ein Roboter runter. In einem Rekordtempo wurden mit mir die nächsten Schritte und möglichen Untersuchungen besprochen. Das Ultraschall wurde nicht von der Ärztin selbst, sondern von einer speziell ausgebildeten Technikerin durchgeführt. Die sagte während der Untersuchung kein Wort, antwortete auf meine Fragen wenn dann nur kurz und sagte nach dem Ultraschall mindestens sechs Mal: Congratulations! Was aber nicht wirklich ernst gemeint klang, sondern wie eine daher gesagte Floskel.

Und dieser erste ernüchternde Eindruck zog sich wie ein roter Faden durch meine Schwangerschaftsvorsorge. Das wurde mir vor allem bewusst, als ich von der 11.-16. SS-Woche in Deutschland war und die anfallenden Untersuchungen bei meinem dortigen Arzt durchführen ließ. Darunter war auch die Nackenfaltenuntersuchung, zu der mit Arzt Nummer 2 in Amerika klar geraten hatte.

Mein deutscher Arzt setzte sich erst einmal mit mir und meinem Mann hin. Und redete. Und hörte zu.

Ich brachte all die losen Blätter mit, die man bei dem ersten Termin in Amerika anstelle eines Mutterpasses bekommt. Hierauf stehen alle Untersuchungen, die man in den USA durchführen kann. Als ich von der Nackenfaltenuntersuchung sprach, schaute mich der Arzt kurz an: „Die Untersuchung machen wir unter keinen Umständen heute.“ Ich war damals in der 13. Schwangerschaftswoche. Und dann holte er tief Luft und redete. Er erklärte, dass auch nach dieser Untersuchung keine Gewissheit herrsche. Es würde lediglich berechnet werden, mit welcher Wahrscheinlichkeit das Kind Downsyndrom hat: „Und dann steht da eine Zahl. 1:10.000, 1:500 1:100… und ab wann handeln Sie, Frau K.? Ab wann entscheiden Sie sich gegen das Kind? Oder ab wann genießen Sie die Schwangerschaft nicht mehr?“ Er wollte sich nach dem Gespräch das Kind im Ultraschall anschauen, bat uns aber, danach heimzugehen und noch einmal über das Besprochene nachzudenken. Nach einer Stunde Gespräch verabredeten wir, dass ich am nächsten Tag anrufe, sollten wir uns für die Untersuchung entscheiden. „Und dann machen wir das selbstverständlich“, sagte der Doktor. Die Worte vom Arzt im Ohr und den Mutterpass samt neuer Bilder von einem schon erkennbaren kleinen Wesen in der Hand, verließen mein Mann und ich die Praxis. Am nächsten Tag rief ich nicht an. Wir hatten uns gegen die Untersuchung entschieden.

Schwangerschaftsvorsorge in den USA vs Deutschland

Zurück in der amerikanischen Arztpraxis blickte ich in große Augen von Arzt Nummer Drei, als ich auf die Frage, wie die Ergebnisse ausgefallen seien, ruhig sagte: „I didn’t do the test“. Der Arzt hielt das für grob fahrlässig. Hier gehöre der Test mittlerweile fast zum Standard. Wieso ich freiwillig darauf verzichten wollte, verstand er einfach nicht.

Allerdings bat ich um einen anderen Test: in Deutschland kam bei der Untersuchung meines Blutes heraus, dass ich eine leichte Schilddrüsenunterfunktion hatte. Ich nahm nun Tabletten dagegen und sollte laut deutschem Arzt in ein paar Wochen noch einmal die Werte testen lassen. „We don’t do that here, in America“. – und damit schien alles gesagt.

Die Schwangerschaftswochen vergingen bis auf die üblichen Wehwehchen zum Glück komplikationsfrei. Inzwischen hatte ich mich auf Ärztin Nummer 6 eingelassen. Vor allem war ich es leid, bei jedem Besuch wie im Speeddating jemand anderes vor mir zu haben. Ich wollte für die zweite Schwangerschaftshälfte Kontinuität. Frau Doktor war auf erfrischende Art direkt und zupackend, nur hatte sie es immer eilig. Inzwischen war das aber irgendwie normal für mich. Hier setzt sich der Arzt nicht hin um zu reden. Zeit ist Geld. Ich arrangierte mich mit dem System, hatte immer einen Zettel mit Fragen dabei und wenn sie schon im Rausgehen sagte: „Any questions?“ ratterte ich in Rekordtempo meine Fragen runter und bekam auch genauso schnell Antworten.

Dann, in der 32. Woche an einem eiskalten, verschneiten Nachmittag hatte ich ein heftiges Ziehen im Rücken. Es wurde immer intensiver. Es war ein Freitag, mein Mann war auf Geschäftsreise. Ich rief in der Arztpraxis an. Die ernüchternde und erschreckende Antwort: Sollten sich diese Schmerzen intensivieren und regelmässig alle 5 Minuten kommen, sollte ich ins Krankenhaus fahren. Ich legte auf und heulte. Keine Vorsorge? Kein Versuch eine Frühgeburt eventuell abzuwenden? Ich wählte umgehend wieder dieselbe Nummer, erklärte der nächsten Sprechstundenhilfe die gleichen Probleme und sagte unter Tränen, dass ich sofort eine Termin mit CTG haben wollte. „Ich möchte nicht, dass mein Kind jetzt schon kommt.“  Und siehe da, ich bekam den Termin und wurde ans CTG angeschlossen (CTG wird hier übrigens nicht vorsorglich durchgeführt, sondern erst im Krankenhaus bei der Geburt gemacht). Das Resultat: regelmässige Wehen, alle 9 Minuten. Mir wurde Bettruhe verschrieben. Die Lage beruhigte sich.

In der 39. Woche, fünf Tage vor dem errechneten Geburtstermin setzten die Wehen gegen 19 Uhr ein. Gegen 22:30 Uhr kamen die Wehen nun alle 4-5 Minuten, ich rief im Krankenhaus an und sprach mit einem Arzt. Zu meiner Enttäuschung war es nicht meine behandelnde Ärztin, sondern ein mir fremder Kollege aus der Großpraxis, der an diesem Abend Dienst hatte. Er riet mir, sofort ins Krankenhaus zu kommen.

Die Geburt verlief dann rasch und komplikationsfrei. Ich hatte eine grossartige Hebamme und der junge Arzt entpuppte sich als absoluter Glücksfall: ein weltoffener, ruhiger und witziger Mann, der nicht nur meine Tochter auf die Welt geholt hat, sondern mich nun bei Schwangerschaft Nummer Zwei betreut.

Ich muss gestehen, auch die Nachsorgeuntersuchungen sechs Wochen nach Geburt, war nicht das, was Ihr aus Deutschland kennt. Ich habe mich ins beginnende 19. Jahrhundert zurückgebeamt gefühlt. Es wurde kein Ultraschall gemacht, sondern lediglich „gefühlt“, ob die Gebärmutter sich wieder vollkommen zurückgebildet hatte.

Vergangenen Sommer saß ich dann wieder bei meinem deutschen Arzt und erzählte von meiner Schwangerschaft und der Nachsorgeuntersuchung. Er war erst sprachlos und meinte dann: „Das hätte ich nicht gedacht. Unter Ärzten wird Amerika immer als Ideal gesehen. Wir meinen, dort sei alles weiterentwickelt.“ Und dann vielen Begriffe wie „Mut zur Lücke“ oder „grob fahrlässig“.

Doch nun, in der zweiten Schwangerschaft und mit dem richtigen Arzt an meiner Seite, bin ich ruhiger und selbstbewusster. Ich bestehe nun auf Untersuchungen, die mir wichtig sind. Und mein Arzt schaut mich auch nicht kopfschüttelnd und verurteilend an, wie so manch einer seiner amerikanischen Kollegen. Er weiß, dass Untersuchungen in Deutschland anders laufen und führt diese auf meinen Wunsch auch gern durch. Er hört zu, er erklärt, er nimmt mich ernst. Und ja, ich bin auch gelassener: Das Ultraschall wird hier eben nicht vom Arzt, sondern von einer speziell ausgebildeten Fachkraft durchgeführt. Abstriche werden hier in zwei bis drei Jahresabständen gemacht, ich verlange häufiger einen. Ich nerve die Sprechstundenhilfen am Telefon, bis sie mich mit meinem Arzt verbinden. Ich versuche, auf meinen mütterlichen Instinkt zu hören und weiß, dass ich hier in den USA im Zweifelsfall hartnäckig sein muss.

Kommentare

Dieser Beitrag hat 7 Kommentare
  • Juli
    11 Jan 2017 Antworten

    Wieder mal eine schöne Kolumne, ein paar Dinge die ich genauso empfinde (jedenfalls bei meiner letzten Ärztin), allerdings auch vieles dass bei uns hier anders gelaufen ist, vielleicht sogar angenehmer als in Deutschland.

    Ich muss auch sagen: noch nie habe ich so freundliche Krankenschwestern erlebt wie hier in den USA. Frauen die mich in der Cafeteria in der Nicu Zeit wieder erkannt haben, mich angesprochen und umarmt haben. Zur Geburt gab es dann sogar Dankeskarten mit lieben Worten von allen Schwestern auf der Station und von meiner Ärztin und ihrem Team.

    Das die Ultraschall Termine von Fachpersonal durchgeführt werden fand ich immer ganz toll, da sie ja gezielt fdarsuf ausgebildet werden. Ich habe mich dadurch immer ein Stück sicherer gefühlt 🙂

    • Janey
      12 Jan 2017 Antworten

      So eine liebe Karte von der ganzen Belegschaft haben wir in Deutschland auch bekommen.

    • Elisabeth
      14 Jan 2017 Antworten

      Liebe Juli,

      Danke für Deinen Kommentar. Bei mir war im KH auch alle super, die Krankenschwestern sehr nett. Dass mit dem Fachpersonal beim Ultraschall sage ich mir auch, allerdings empfinde ich sie auch in der zweiten SS als etwas ruppig- es stört mich aber nicht. It is what it is! 😉 hat eben alles seine Vor- und Nachteile. Alles Liebe für Dich!

  • Lara
    11 Jan 2017 Antworten

    Erstmal „congratulations“
    Sehr interessant, ich dachte auch eher, wie dein deutscher Arzt, dass in Amerika alles super ist. Einiges hat mich auch an Finnland erinnert, wie das Ctg, das erst zur Geburt gemacht wird. Das finde ich sogar gut. In Deutschland wird es vorher in den meisten Fällen ja nur gemacht, weil es halt Geld bringt….

    • Elisabeth
      14 Jan 2017 Antworten

      Interessant wie unterschiedlich die einzelnen Lände mit dem Thema SS-Vorsorge umgehen! 🙂 alles Liebe!

  • Miri
    11 Jan 2017 Antworten

    Zu dem Thema Abstrich haette dein Arzt dich vielleicht etwas genauer aufklaeren muessen. In den USA wird fuer Frauen ab 30 ein kombinierter Abstrich, bestehend aus 2 Tests durchgefuehrt die wenig mit dem konventiellen Abstrich aus Dtl gemeinsam haben. Dieses sogenannte co-testing ist die beste Gebaermutterhalskrebs Vorsorge die man bekommen kann und durch die hohe Sensibilitaet beider Tests ist ein screening alle 3 Jahre vollkommen ausreichend. In Dtl. hat man uebrigens nun beschlossen dem amerikanischen System zu folgen und wird ab 2018 auch co-testing fuer Frauen ab 35 anbieten. Hier kriegt die USA also klar ein Daumen hoch fuer die Gebaermutterhalskrebs Vorsorge und Deutschland ein Daumen runter. Man hat naemlich in Dtl sehr lange an dem konventiellen Pap festgehalten aus Kostengruenden.

    Es tut mir leid das es bei dir so drunter und drueber ging mit den Arztbesuchen in der SSW. Vieles haette sich mit der richtigen Auswahl eines guten Arztes im Vorfeld klaeren lassen. Dieses Problem hat man in Dtl wie in den USA. Es steht und faellt mit einem guten Arzt der sich Zeit nimmt. Hier habe ich in den USA das Umgekehrte erlebt und zwar das man sich viel mehr Zeit nimmt und sehr gruendlich auf Fragen eingeht. Auch das man ins KH geschickt wird bei Beschwerden empfand ich als angenehm. Dort koennen alle Test sofort durchgefuehrt warden und Blutergebnisse stehen innerhalb von einer Std zur Verfuegung. Das kann die Praxis gar nicht leisten. Ob bei jeder Vorsorge Untersuchung ein Ultraschall durchgefuehrt warden muss, selbst bei Nicht Risiko Patienten, darueber laesst sich streiten. Auch in Dtl. ist es eigentlich nicht vorgesehen bei jedem Besuch einen Ultraschall zu bekommen.

    Angenehm fand ich das in den USA bei der Geburt ein Einzelzimmer zuer Verfuegung stand und ich jeden Tag Besuch vom Lactation Consultant bekommen habe.

  • Elisabeth
    14 Jan 2017 Antworten

    Liebe Miri, es freut mich sehr, dass Du mit Deiner Vorsorge so zufrieden bist. Mein Artikel ist ja auch ein einzelner Erfahrungsbericht, wobei ich sagen muss, dass ich hier in hier in DC einige deutsche Mütter kennen, die in den USA schwanger waren oder sind und die zum Teil unglaubliche Geschichten erzählen. Aber ich stimme Dir zu: Jedes Mal ein Ultraschall wäre natürlich absolut nicht notwendig. Doch ich finde, dass in D gerade beim sensiblen Thema SS-Vorsorgen eher präventiv gehandelt wird (in manchen Fällen ist dies auch sicher überflüssig – bestimme Von der Natur gewollten Verläufe lassen sich nicht aufhalten, einzelne aber eventuell schon). Aber Du hast recht: vieles steht und fällt mit einem guten Arzt. Alles Gute für Dich!

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