Es ist Mittwoch. Das bedeutet, heute gibt es wieder eine neue Gastkolumne für euch. Ihr glaubt gar nicht, wie sehr ich mich gefreut habe, als ich vor einigen Tagen eine neue Mail von Elisabeth in meinem Postfach entdeckte. Ich liebe ihre Texte über das Leben in den USA, und auch ihre Gedanken zur vergangenen Präsidentschaftswahl rund um Trump waren spannend. Alle Texte von Elisabeth findet ihr HIER!

Bei Instagram findet ihr Elisabeth auch, nämlich HIER!

Leben in den USA:
Hauptsache gesund!
Wenn der Arztbesuch ein Luxusgut ist

Jessie stand weinend in der Küche. „Wenn ich jetzt schwanger bin, muss ich abtreiben.“

Dabei hatte sie seit Jahren nur einen Wunsch: Ein eigenes Baby. Doch meine Bekannte Jessie wurde nicht schwanger. Jessie arbeitete hart. Sie putzte, kochte und organisierte den Alltag für gut gestellte amerikanische Familien. Sie selbst verdiente trotz 50-Stunden Wochen nur so viel, dass es gerade so reichte. Sie lebte mit ihrem Mann in einem klitzekleinen Bungalow und eigentlich immer nur von der Hand in den Mund. Im Kopf immer diese Vision, von einem bescheidenen, glücklichen Leben: „Ich möchte ein kleines Haus mit kleinem Garten, in dem ich Gemüse anbauen kann. Und hoffentlich, irgendwann, bekommen wir ein Baby.“ Doch, die Jahre verstrichen und es passierte nichts. So entschied sie sich Anfang 2010 bei ihrer amerikanischen Versicherung die Zusatzversicherung „Schwangerschaftsvorsorge“ zu kündigen. Weil der Beitrag so hoch war. Weil sie ja eh nicht schwanger werden würde. Doch dann, ein paar Monate später waren da plötzlich diese heißersehnten zwei Striche auf dem Test. Endlich. Mist.

Das Gespräch mit Jessie ist jetzt schon sieben Jahre her und erschütterte mich damals zutiefst. Die Amerikaner und ihr Verhältnis zum Gesundheitssystem. Man muss erst hier leben um zu verstehen, warum es so kompliziert – und in unseren, europäischen Augen – merkwürdig ist.

Fakt ist: bis zum Jahr 2010 waren Krankenversicherungen absolute Privatsache. Noch bis zum Jahr 2014 gab es so etwas wie eine landesweite Versicherungspflicht nicht. Doch dann kam Obama. Eines seiner großen Wahlversprechen war es, eine gesetzliche Krankenversicherung für alle einzuführen. Die sogenannte „Obamacare“ wurde 2010 verabschiedet. Nach langen Diskussionen und Monaten, bei denen die Menschen auf die Strasse gingen und sich dagegen wehren wollten. Manche von ihnen verglichen den Präsidenten gar mit Hitler. Wir Deutsche konnten die Proteste in keinster Weise nachvollziehen: Wie kann man sich nur gegen eine gesetzliche Versicherungspflicht so sträuben?

Doch hinter den Demonstrationen steckte etwas viel tieferes. Das, was die DNA der USA ausmacht: die kritische Haltung gegenüber dem Staat. Die staatliche Unterstützung, die wir Europäer als angenehm empfinden, sehen viele US-Bürger negativ, bezeichnen es als Sozialismus.  Und zu diesem Verständnis gehört auch, dass viele Amerikaner die Einmischung des Staates in private Angelegenheiten wie zum Beispiel die eigene Gesundheit und damit eben auch die Krankenversicherung gar nicht wollen. Mit Obamacare wurde durch die Umstrukturierung in viele bereits bestehende Verträge eingegriffen und diese zum Teil sogar gekündigt. Das empfanden viele als übergriffig, als staatliche Zwangsbeglückung.

From rags to riches, jeder kann es schaffen – aber auch: jeder ist seines Glückes Schmied. Viele Bürger hierzulande verstehen nicht, wieso man selbst als hart arbeitende Person für andere, schlechter Gestellte aufkommen muss. Ein Wohlfahrtsstaat? Nein, danke! Doch genau solch eine Umverteilung kam mit der Gesundheitsreform von Obama:

Durch eine Pflichtversicherung für alle, sollten nun auch die Armen des Landes in der Lage sein, sich eine Krankenversicherung leisten zu können. Diejenigen, die sich nicht versichern wollen, müssten Strafen zahlen. Für die meisten Armen des Landes gibt es die Gesundheitsversorgung Medicaid. Somit sind mit allen Bemühungen weniger als 9 Prozent der US-Bürger ohne Krankenversicherung.

Doch trotz aller Bemühungen gibt es durch und mit Obamacare einige Probleme. Ein Dilemma: da die Strafzahlungen für Versicherungsverweigerer niedriger sind als mögliche Krankenversicherungsbeträge, verzichten manche auf die Einschreibung in Versicherungen. Hingegen diejenigen, die gesundheitliche Probleme haben, schreiben sich in die Obamacare-Programme. Somit sind in den Versicherungssystemen vor allem diejenigen, die auf medizinische Versorgung angewiesen sind, im Fachjargon also Patienten mit hoher Risikostufe. Ein teures Resultat für das gesamte System.

Der neue Präsident Trump versprach noch im Wahlkampf, Obamacare abzuschaffen. Direkt nach seiner Amtsübernahme zeigte er sich optimistisch. Warum auch nicht. Mit einer Mehrheit der Republikaner sowohl im Senat als auch im Repräsentantenhaus sollte eine Alternative schnell verabschiedet werden… zumal die Republikaner im Wahlkampf (und all die Jahre zuvor, noch als Opposition) immer wieder davon sprachen, eine bessere Alternative zu Obamas Reform bereits in der Schublade zu haben.

Doch es kam anders. Der von ihnen ausgearbeitete Gesetzesentwurf wurde auch nach tagelangen Verhandlungen, Nachbesserungen am Gesetzestext und trotz Drängens des Präsidenten gekippt. Die Abgeordneten, die diese Alternative erarbeitet hatten, wollten sie am Ende selbst nicht haben. Grund: sie war weitaus schlechter und teurer als die bestehende Reform von Präsident Obama.

Trump, der sich selbst stets als genialer Dealmaker gepriesen hatte, war gleich mit der ersten (und vielleicht wichtigsten) Gesetzesinitiative krachend gescheitert. Die bisher größte Niederlage seiner noch jungen Regierung. Ein paar Tage vorher sagte er ziemlich entlarvende Worte: „Niemand hätte ahnen können, wie kompliziert die Gesundheitsversorgung ist.“ Ach. Wirklich.

(Einen interessanten Artikel darüber findet ihr hier:

http://www.zeit.de/wirtschaft/2016-11/gesundheitsreform-usa-obamacare-donald-trump/komplettansicht

Kommentare

Dieser Beitrag hat 11 Kommentare
  • Isabella
    19 Apr 2017 Antworten

    Das war mal wieder ein ganz toller und spannender Artikel!
    Vielen Dank dafür 🙂
    Ich lese deine Beiträge sehr gerne, Elisabeth.

    • Janina
      19 Apr 2017 Antworten

      Ich auch, ich bin ein riesiger Fan von Elisabeths Beiträgen und immer wenn ich ihren Namen im Maulfach entdecke, stürze ich mich auf den Text. 🙂

      • Rosamunde
        19 Apr 2017 Antworten

        Was ist ein Maulfach?

        • Vera
          20 Apr 2017 Antworten

          Mailfach glaube ich ?

    • Elisabeth
      24 Apr 2017 Antworten

      Vielen Dank, Isabella! Herzliche Grüsse, Elisabeth

  • Carolin
    19 Apr 2017 Antworten

    Elisabeth, danke für deinen tollen Bericht, er ist sehr interessant. Toll 🙂

    • Elisabeth
      24 Apr 2017 Antworten

      Dankeschön, Carolin. Es macht natürlich umso mehr Spaß, wenn diese Themen auch beim Lesen Freude bereiten. Herzliche Grüße, Elisabeth

  • Sylvia
    20 Apr 2017 Antworten

    Ohh mega Beitrag der mir gerade ein bisschen Freude bereitet. Da ich keine Nachrichten konsumiere hab ich nicht mitbekommen das Trump diesbezüglich gescheitert ist und das freut mich jetzt 🙂

    Liebe Grüsse
    Sylvia
    http://www.mirrorarts.at – Fotoblog

    • Elisabeth
      24 Apr 2017 Antworten

      Liebe Sylvia – na dann ist es ja umso toller, wenn die diese Info freut. 😉 Alles Liebe, Elisabeth

  • Nati
    22 Apr 2017 Antworten

    Ich finde Deine Artikel immer wieder lesenswert. Das macht einfach Freude.
    Liebe Grüße Nati

  • Elisabeth
    24 Apr 2017 Antworten

    Wow! Danke, Nati! Das freut mich wiederum. Alles Liebe, Elisabeth

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