DANN BIST DU HALT DER ARSCH,
DANN IST DAS SO!

Über Meinungen und Angepasstheit

 

Heute ist das so: Jeder, der nicht die eigene Meinung teilt, ist dann ganz schnell der (ein) Arsch! 

Das war aber irgendwie nicht immer so. Früher kam noch gut miteinander aus, auch wenn man in einem oder vielen Bereichen völlig unterschiedlicher Meinung war. Was ja, wenn wir mal ganz ehrlich sind, auch einfach normal ist. Man konnte nicht nur gut miteinander auskommen, man konnte sogar trotzdem miteinander befreundet sein. Denn, man konnte (noch) andere Meinungen und Lebensweisen noch akzeptieren. Konnte sie annehmen, hinnehmen oder sich gar inspirieren lassen. Denn es ist doch so: Es gibt nicht nur DIE EINE Meinung, es gibt zu jedem erdenklichen Thema tausende Meinungen. Und das ist auch gar nicht so verkehrt. 

Heute, so scheint es, geht das nicht mehr. Jeder nimmt sich so wichtig, dass die eigene Meinung das Nonplusultra ist. Es ist nicht mehr ok, anderer Meinung zu sein. Es ist nicht mehr ok, Dinge anders zu machen. Es ist auch nicht mehr ok, sein Leben so zu leben, wie man es für richtig erachtet. Wehe, dann knallt es aber (fast) im Karton. Dann bist du ganz schnell. Hat sie gerade Arsch geschrieben? JA, hab ich, verdammte scheiße! 

Ich hab so ziemlich zu vielen Themen eine eigene Meinung. Ich mache Dinge auch nicht selten anders, als andere. Ich lebe mein Leben so, dass es sich für mich (und für meine Familie) gut anfühlt. Früher hab ich gekuscht. Früher dachte ich, ach komm, was sagen denn die Nachbarn dazu oder XY oder der Sack Reis, der in China umkippt. Ehrlich? Ist doch völlig egal, was der Sack Reis denkt oder gar sagt.

Meine beste Freundin und ich, sind das beste Beispiel dafür, dass es noch anders geht. Wir könnten nicht unterschiedlicher sein, wir könnten nicht unterschiedlichere Leben führen oder Meinungen haben, wirklich, wir sind in den meisten Dingen wie Feuer und Wasser, und dennoch sind wir seit über zehn Jahren die dicksten und loyalsten Freunde und gehen durch dick und dünn. Ich habe Kolleginnen, die packen Dinge anders an, die ticken anders, die haben andere Meinungen und dennoch kommt man klar. Klar, weil: Warum auch nicht. Aber die Mutti aus dem Spielkreis oder der Nachbar aus der elften Querstraße rechts von links oder Gertrude mit ihrem Fake-Account, schnall dich an, die finden, das, was du da machst (oder denkst oder sagst), das geht halt einfach gar nicht, das ist ja schon fast verwerflich (und eigentlich gehörst du fast gesteinigt dafür, du Arsch!). Weil die machen das ja ganz anders und damit natürlich auch viel BESSER (logisch!). Ich sach mal so: Keiner ist hier der Arsch, denn viele Menschen bedeuten viele Meinungen und das bedeutet Vielfalt. Und ob ich (in meinem Beispiel) trotzdem der Arsch bin? Peng, ich frag mal den Sack Reis in China, was er dazu sagt.

Aber mich juckt es jetzt wirklich nicht. Denn, es hat seinen Grund, warum ich eine Meinung zu gewissen Dingen habe und es hat einen Grund, warum ich mein Leben so lebe, wie ich es lebe. Das tue ich nämlich deshalb, weil es für mich so ein gutes Leben und eine gute Meinung ist. Wir wachsen im Leben (bestenfalls), wir entwickeln uns (kann man nur hoffen!) und das allerbeste ist es, lächelnd im Reisebus des Lebens zu sitzen und zu denken: Ja man, das fühlt sich verdammt richtig und verdammt gut an. Und irgendwann, wenn ich hoffentlich uralt bin, dann ist mein Gesicht gezeichnet von Lachfalten, weich und zufrieden, und ich blicke zurück und denke mir, ich hab immer das Beste rausgeholt! 

Früher hatte ich manchmal noch nicht den Mut dazu, mein Leben so zu führen, wie es gut anfühlt. Weil, meine Vorstellung von Leben eben meine ist und sich damit von der Vorstellung anderer Menschen auch abhebt. Ich war schon immer irgendwie ein Stück anders. Und lange dachte ich, dass Anderssein nicht gut ist. Dass ich das verstecken muss. Angepasst sein muss und das sogar MÖCHTE. Ich hab mich bemüht, angepasst zu sein. Ist das nicht verrückt? Wer möchte das denn? Also ich nicht. Das weiß ich zum Glück heute. Und das war auch der Schlüssel zu meinem Glück, endlich das Leben zu leben, nach dem ich mich sehnte. Das bedeutet für mich die ganz große Freiheit. Und dann bin ich halt für manch eine/n der Arsch. Ja, gern sogar, dann ist das so. 

Ich werde immer zu meiner Meinung stehen. Ich werde sie auch kommunizieren, wenn mir danach ist. Und ich find es sogar richtig schnieke, eine Meinung oder Einstellung zu einem Thema zu haben und sich da nicht anzupassen – aus der Bequemlichkeit oder Angst heraus. Auch werde ich immer mein Leben genau so leben, wie es für uns gut ist. Genau so, wie es mir Spaß macht. Denn wir alle haben nur dieses eine Leben und das sollte, wenn möglich, zum größten Teil Freude bereiten. Und wenn man doch mal ins Wanken gerät, erinnert man sich daran, was die Ärzte schon immer wussten: lass die Leute reden, sie haben nichts besseres zu tun. Ein Irgendwer, sei es der Sack Reis oder Gertrude aus dem Netz, die werden immer reden. Die werden immer etwas finden, was ihnen nicht gefällt. Und wenn sie nichts finden, denken sie sich halt kurzerhand was aus. „Stille Post“, das können schon die Kleinsten im Kindergarten.

Deshalb, an dieser Stelle, seid einfach gern der Arsch, bleibt bei eurer Meinung, steht dazu, steht zu euch und lass die Leute reden, in China fällt eh ein Sack Reis um.

Kommentare

Dieser Beitrag hat 1 Kommentare
  • Julia
    13 Aug 2020 Antworten

    Wie herrlich! Das nehme ich mir für die nächste Zeit vor: ein Arsch zu sein ;-). Du hast so recht! Oft weis man selbst sehr gut, was einem wichtig ist und wie man Dinge angehen möchte. Die vielen („guten“) Ratschläge, Meinungen und Anmerkungen von außen überlagern dann nur leider sehr oft das eigene Potential. Vielen Dank für den Denkanstoß!

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